1000 und 1 Update – Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt

Die Digitalisierung und ihre Folgen sind einige der größten Chancen, die sich unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten bieten. Sie birgt ein herausragendes Potential, den Bürgern zu einer moderneren, nachhaltigeren und lebenswerteren Zukunft zu verhelfen – quer durch alle Lebensbereiche. Wir Freie Demokraten sind Fortschrittsoptimisten und begrüßen diese Entwicklung. Wir sehen die Rolle der Politik darin, die Digitalisierung, wo möglich, zu unterstützen, gesetzliche Hürden zu hinterfragen.

Trotz der großen Möglichkeiten sehen wir jedoch auch die Schwierigkeiten, die die Digitalisierung für viele Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt. Ein Aspekt von besonderer Bedeutung ist hier die Auswirkung der Digitalisierung auf den Alltag vieler Arbeitnehmer. Insbesondere die Effizienzsteigerung in Berufen, in denen repetitive Arbeitsschritte leicht automatisiert werden können, vermindert die Nachfrage nach Arbeitskraft in eben diesen Bereichen. Im Gegenzug schafft die Digitalisierung jedoch auch komplett neue Arbeitsfelder und Berufe, welche neue Fähigkeiten von ihren Arbeitnehmern abverlangen. Wir sind optimistisch, dass die Digitale Revolution gesamtgesellschaftlich mehr Vorteile bringt, als sie Probleme schafft. Wir sind optimistisch, dass sie mehr neue, bisher zum Teil unbekannte, Jobs kreiert, als sie Arbeitsplätze gefährdet.

Um die Gesellschaft rechtzeitig auf den bevorstehenden Wandel vorzubereiten, bedarf es eines besonderen Augenmerks der Politik. Die Sozialsysteme Deutschlands müssen sich auf die stärker verbreiteten atypischen Arbeitsverhältnisse einstellen, das Bildungssystem muss einen neuen Fokus auf die Digitalisierung, aber auch auf lebenslanges Lernen für die Gesamtbevölkerung setzen und das deutsche Arbeitsrecht muss flexibler werden, um besser auf die Veränderungen der Arbeitswelt reagieren zu können.

Digitale Bildung in der Schule

Schule soll im Optimalfall vor allem für das Leben vorbereiten. Für eine zunehmend durch Digitalisierung und globale Vernetzung geprägte Welt muss auch überdacht werden, inwieweit noch die richtigen Inhalte und Kompetenzen vermittelt werden. Insbesondere sollten Schlüsselqualifikationen für den Arbeitsmarkt 4.0 wie Entscheidungsfreiheit, individuelle Verantwortungsbereitschaft, Kreativität, soziale Intelligenz und unternehmerisches Denken zunehmend in den Mittelpunkt rücken. Auch muss der sichere Umgang mit digitalen Medien eine stärkere Rolle in allen Klassenstufen spielen.

Wichtig ist hierbei fächerübergreifendes Arbeiten, gleichberechtigt mit konventionellen, also nicht-digitalen Medien. Die Nutzung von digitalen Medien nur zu definierten Zeiten in definierten Kontexten ist für Schüler aus der Generation der Digital Natives dagegen nicht zielführend. Darüber hinaus bedarf es des verstärkten Einbeziehens externer Lernplattformen, um individuelles Lernen zu ermöglichen. Darüber hinaus soll in allen Unterrichtsfächern eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Implikationen einer fortschreitenden Digitalisierung stattfinden.

Dreh- und Angelpunkt der Vermittlung sind die Fähigkeiten der Lehrer. Gerade in einem Bereich, in dem sich Schüler schneller neuen Herausforderungen gegenübersehen, als es jeder Rahmenplan abbilden kann. So muss die Rolle des Lehrers neu überdacht werden – vom rein Lehrenden vor einer Gruppe hin zum individuellen Lehrmanager, der eine größere Verantwortung bei der Vor- und Nachbereitung „digitaler“ Unterrichtsstunden trägt, und gezielter auf Förder- und Forderbedarf eingehen kann. Dazu ist die Überarbeitung der Lehrerausbildung und -weiterbildung in diesem Bereich notwendig. Fortbildungen sind qualitativ zu verbessern und weiterhin auf freiwilliger Basis anzubieten. Nicht nur Sekundarschullehrer, sondern auch Grundschullehrer sollen bereits für die Bedürfnisse des digitalen Lernens qualifiziert werden. Gleichzeitig braucht es auch einer angemessenen schulischen Ausstattung, wie etwa Tablets, Smartboards, Computer u.ä., um die angestrebten Lernziele praktisch umsetzen zu können.

Unmittelbar sollen außerdem extracurriculare Angebote, die digitale Kompetenzen vertiefen, gefördert werden. Im Unterricht sollen Schüler verstärkt auf online angebotene Lernplattformen für Digital- und Programmierinteressierte hingewiesen werden.

Wir fordern außerdem, Digitalisierung als Bildungsauftrag im Schulgesetz zu verankern und dass der Beschluss der Kultusminister-Konferenz vom 8. Dezember 2016 noch vor 2021 umgesetzt wird.

Lebenslanges Lernen

Auch wenn die Gesamtwirkung der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt positiv ausfällt, stehen wir dennoch vor dem Problem, dass viele aktuelle, wie auch zukünftige Arbeitnehmer in Berufen arbeiten werden, für welche sie die nötigen Fähigkeiten erst noch erwerben müssen. Künftig werden Arbeitnehmer immer seltener ihr gesamtes Berufsleben mit der gleichen Tätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber angestellt sein. Aufgabe von Politik und Gesellschaft ist es, die Arbeitnehmer und Unternehmer dazu zu befähigen, die Chancen der Digitalisierung für die Arbeitswelt zu nutzen.

Wir denken, dass es Aufgabe von Politik ist, Bürgerinnen und Bürger dabei zu unterstützen, die Chancen der Digitalisierung durch Möglichkeiten des lebenslangen Lernens nutzen zu können.

Zentral ist hierbei, dass die Fortbildung auf allen Berufsebenen gleichermaßen stattfindet. Sie soll sich nicht nur an diejenigen richten, deren Jobs konkret gefährdet sind, sondern an alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Eine besondere Verantwortung für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter tragen hierbei die Unternehmen. Es liegt auch in ihrem Interesse, bestehende Mitarbeiter zu halten und ihnen die Möglichkeit zur Fortbildung zu ermöglichen bzw. sie aktiv zu fördern. Fortbildungen und Projekte, die Arbeitnehmern nachweislich einen lebenslangen Vorteil und Unternehmen innovatives Wissen einbringen, dürfen durch staatliche Regulierungen nicht verhindert werden. Um die Teilnahme an diesen Kursen oder auch einzelnen Kursmodulen zu honorieren, soll ein standardisiertes Bewertungs- und Zertifizierungssystem eingeführt werden, welche die Leistung der Kursteilnehmer bescheinigt. Ziel ist, die Anerkennung dieser Bildung durch Arbeitgeber. Des Weiteren sollen sich qualifizierte, online erarbeitete Kurse an einen universitären Bildungsabschluss anrechnen lassen.

Digitalisierung für die Arbeitsvermittlung nutzen

Mit den Daten, die die Digitalisierung bringt, lassen sich auch Nutzen für den Arbeitsmarkt und die Arbeitsvermittlung generieren. Arbeitsvermittlungsplattformen können die nachgefragten Fähigkeiten, die Effizienz von Weiterbildungsprogrammen und die Produktivität von Arbeitnehmern besser auswerten als bisher.

Auf diese Daten muss künftig zum Beispiel bei Weiterbildungsprogrammen zurückgegriffen werden können, um diese stärker an den auf dem Arbeitsmarkt benötigten Fähigkeiten auszurichten. Gleichzeitig muss jeder Bürger weiterhin Herr seiner Daten bleiben können. Eine automatische Weitergabe personenspezifischer Daten an mögliche Arbeitgeber lehnen wir ab.

Soziale Absicherung im digitalen Zeitalter

Der Strukturwandel durch die Digitalisierung verändert die bisher herrschenden Annahmen von Arbeitsverhältnissen und unsere Art zu arbeiten. Das tradierte Leitbild des Normalarbeitsverhältnisses, das über 40 Jahre bei einem Unternehmen im selben Bereich andauert, wird sich in den nächsten Jahrzehnten verändern. Mit der Digitalisierung wird sich die Flexibilität der Arbeitnehmer steigern müssen.

Das digitale Zeitalter verändert die klassischen Lebens- und Erwerbsbiografien vieler Menschen. Deshalb muss sich das Rentensystem verändern, um auf die wechselnden Verhältnisse in der Arbeitswelt angemessen reagieren zu können. Individualität und Eigenverantwortung können gesteigert werden, indem der Renteneintritt flexibel möglich ist und jegliche Hinzuverdienstgrenzen bei der Rente entfallen.

Die Altersvorsorge muss künftig als flexibler Baukasten organisiert sein, in dem die unterschiedlichen Elemente der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge kombinierbar sind. Hierbei muss die Portabilität von Anwartschaften und Vorsorgeprodukten ermöglicht werden. Zudem sollte ein digitales Konto geschaffen werden, um einen Überblick über die Vorsorgesituation zu erhalten.

Die zunehmende Flexibilität der Arbeit wird dazu führen, dass Menschen zunehmend mobiler auf dem Arbeitsmarkt werden. Nicht nur innerhalb Deutschlands wird sich der Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte erhöhen, sondern auch weltweit. Langfristig ist es notwendig, dass Versicherungsansprüche und betriebliche Vorsorge auch länderübergreifend in Anspruch genommen werden können und kombinierbar sind, so dass Beschäftigte keine Ansprüche einbüßen, ganz gleich, welche Erwerbsbiografie sie verfolgen.

Wir sind der Auffassung, dass die Digitalisierung nicht das Ende der Arbeit bedeuten wird. Diese vielfach beschworene Albtraumvorstellung kann insbesondere nicht durch ähnliche historische Umbrüche bestätigt werden. Technologischer Fortschritt hat im Ergebnis stets zu einer Verbesserung der Arbeits- und Lebensumstände und auch zu einer Steigerung der Erwerbsarbeit geführt, da dass Aufgabenspektrum in der Arbeit breiter wird.

Daher sprechen wir uns gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens aus. Wir unterliegen nicht dem Trugschluss, dass die durch Digitalisierung gewonnene Produktivität durch Nichtarbeit ausgeglichen werden muss. Vielmehr wird es dem Einzelnen ermöglicht, seine Ideen und Träume zu verwirklichen. Wir sind der Meinung, dass Erwerbstätigkeit ein sinnstiftendes Element im Leben eines jeden Menschen sein kann, das Selbstbewusstsein und Erfüllung bringt.

Um eine soziale Absicherung beim Strukturwandel zu ermöglichen, fordern wir stattdessen die Einführung eines liberalen Bürgergeldes. Das Bürgergeld unterstützt Menschen, die keinen Beruf haben oder denen nur ein geringes Einkommen zur Verfügung steht, nimmt aber auch nicht den Anreiz eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Es ist in der Lage, in gleichem Maße auf die Arbeitssituation des Arbeitnehmers zu reagieren, wie der Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt.

Schon heute schaffen digitale Angebote immer mehr selbstständige Arbeit. Dieser Wandel ist notwendig, denn eine digital wettbewerbsfähige Wirtschaft benötigt junge, innovative Unternehmen. Dabei zeichnet sich jedoch ab, dass die Rahmenbedingungen der Selbstständigkeit verändert werden müssen, um Kreativität und Innovation zu stärken, aber prekäre Situationen zu verhindern.

Eine weitere soziale Absicherung könnte zudem in Zusammenarbeit mit den Plattformanbietern auf privater Ebene entstehen. Dabei sind vor allem Zusammenschlüsse von Selbstständigen und Plattformanbietern (Pooling) in Betracht zu ziehen.

Mitarbeiterbeteiligung

Um den Produktivitätsgewinn durch die Digitalisierung und damit einhergehende steigende Kapitalgewinne auch an die Arbeitnehmer bzw. Dienstleister weiterzugeben, könnten neue Vergütungsmodelle genutzt werden. Eine bessere Beteiligung von Arbeitnehmern am wirtschaftlichen Erfolg ist schon deshalb notwendig, weil künftig mehr Eigenleistungen im Bereich der Gesundheit, Rente und Pflege erbracht werden müssen. Wir fordern in diesem Zusammenhang, die Kapitalbeteiligung und Erfolgsbeteiligung für Mitarbeiter und Dienstleister stärker zu fördern. Insbesondere sollten die Höchstgrenzen der Steuer- und Sozialabgabenbefreiung erhöht werden.

Reform des Arbeitsrechts

Die technischen Veränderungen der Digitalisierung bieten die Möglichkeit die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit leichter zu verwirklichen. Fließende Übergänge vom Job ins Privatleben sowie eine Verbindung von Wohnung und Arbeitsplatz können im Ergebnis zu mehr Lebenszufriedenheit führen.

Erster Ansatzpunkt ist eine notwendige Reform der Arbeitszeitsouveränität. Statt wie bisher eine tägliche Höchstarbeitszeit, fordern wir die Umstellung auf eine Wochenarbeitszeit. Dies führt zu mehr Flexibilität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gleichzeitig müssen auch Langzeitkonten stärker verbreitet werden, mit deren Hilfe Arbeitnehmer ihre geleisteten Arbeitsstunden für eine phasenweise Freistellung ansparen können und bei Bedarf nutzen. Gesetzliche Beschränkungen, die diese privatrechtlichen Vereinbarungen beschränken sind überflüssig.

Arbeitnehmern muss es auch möglich sein, flexibel ihren Arbeitsort auswählen zu können. Wenn Angestellte sich mit ihrem Arbeitgeber z.B. auf die Arbeit aus dem „Home Office“ einigen, sollten die gesetzlichen Überprüfungspflichten hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber wegfallen. Es ist sicherzustellen, dass Home-Office Arbeitsplätze üblichen Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes entsprechen. Das mobile Arbeiten muss jedoch freiwillig bleiben, weshalb wir ein Rückkehrrecht an den betrieblichen Arbeitsplatz fordern, um Flexibilität in beide Richtungen zu gewährleisten.

Durch die Digitalisierung wird es zu einer verstärkten Spezialisierung von wirtschaftlichen Prozessen kommen. Arbeitnehmer und Unternehmen werden ihre Leistungen vermehrt über Plattformen und nur auf kurzer zeitlicher Basis erbringen. Folglich werden Dienst- und Werkverträge künftig für die Arbeitsteilung notwendiger und ihre Bedeutung wird steigen. Diese Vertragsformen dürfen auch künftig nicht eingeschränkt werden.

Darüber hinaus ist es auch notwendig, befristete Beschäftigung und Zeitarbeit nicht einzuschränken, da sie eine für etablierte Unternehmen wie Startups relevante Möglichkeit sind, auf die in der digitalen Arbeitswelt vorkommenden Schwankungen zu reagieren.

Digitalisierung im Unternehmen

Die Digitalisierung unserer Arbeitswelt kann letztendlich nur in den Unternehmen selbst erfolgen, muss allerdings von guten Rahmenbedingungen durch die Politik erst ermöglicht werden.

Wir stellen fest, dass ein Digitalisierungsprozess in den Unternehmen nicht ausschließlich durch ein breites Angebot an Fortbildungsmaßnahmen gesichert werden kann, sondern vor allem dadurch erst angestoßen wird, dass Unternehmen digitale Prozesse in ihr Geschäftsmodell integrieren. Die bisherigen Anreiz- und Fördersysteme haben sich dabei als wenig effizient erwiesen. Wir sprechen uns daher für ein einfaches und transparentes Modell der Digitalisierungsförderung in den Unternehmen aus. Der Staat muss daher die Rahmenbedingungen schaffen und den Austausch von Unternehmen mit allen Hochschulen fördern.

Darüber hinaus muss auch in der beruflichen und akademischen Bildungslandschaft eine digitale Infrastruktur geschaffen werden, die es Unternehmen erlaubt, mit gut ausgebildeten Fachkräften digitale Projekte umzusetzen. Wir fordern daher eine deutlich stärkere Kooperation von Hochschulen und Wirtschaft, um Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Betriebe zu unterstützen. Besonders die Fachhochschulen sehen wir in der Position, künftig als Hauptansprechpartner bei digitalen Unternehmungen zu fungieren.

In der Ausbildung setzen wir uns für die Einrichtung digitaler Bildungszentren ein, an denen Azubis ihren Ausbildungszweigen entsprechende digitale Fähigkeiten vertiefen können.

Um den Unternehmen einen soliden Rahmen für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu geben, sollen Digitalisierung und digitale Qualifizierungsprogramme Teilschwerpunkte in jedem Förderprogramm der Berliner Wirtschaft werden.