Die Zukunft der öffentlich-rechtlichenRundfunkanstalten – Ein Grundsatzpapier

Die Freien Demokraten Berlin bekennen sich grundsätzlich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seiner vom Bundesverfassungsgericht definierten Funktion in unserer grundgesetzlichen Ordnung. Die Rundfunkanstalten leisten einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl, indem qualitativ hochwertige, informative Berichterstattung gewährleistet und die föderale Vielfalt unseres Bundesstaates dargestellt werden. Dennoch gibt es auch immer mehr, größtenteils berechtigte Kritik und die Akzeptanz des Systems durch die Beitragszahler scheint gefährdet. Die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen sind schwerfällig, ineffizient und mit überbordenden Kosten verbunden. Um seinen Auftrag in Zeiten von Streaming-Services und nonlinearen TV-Angeboten in der Zukunft adäquat zu erfüllen, sind grundlegende Reformen notwendig. Die rechtspopulistischen Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben eine sachliche Diskussion beinahe unmöglich gemacht. Das ist eine schlechte Entwicklung. Die für die Rundfunkpolitik zuständigen Länder und die sie regierenden Parteien müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und den Mut haben, tiefgreifende Veränderungen voranzutreiben. Wir wollen den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus politischer Sicht neu definieren, seine Struktur anpassen und Wege zu einer mehrheitlich akzeptierten Finanzierung aufzeigen.

Programmauftrag und -gestaltung

Nach § 26 MStV gehören neben Bildung, Information und Kultur auch Unterhaltung zum Sendeauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das umschließt auch sportliche Großereignisse wie Olympische Spiele bzw. nur die Berichterstattung darüber (§ 13 MStV). Die Freien Demokraten Berlin respektieren das, nehmen aber ebenso wahr, dass sich an der Vielzahl an Unterhaltungssendungen wie Quizshows, Kochsendungen, Soap- oder Krimiserien (insbesondere im ZDF) viel Kritik regt, die wir teilen. Politische Berichterstattung muss wichtiger sein als der Musikantenstadl. Der Begriff der Grundversorgung stammt noch aus der analogen Zeit, in der die öffentlich-rechtlichen Sender zudem die einzig empfangbaren waren. Wir halten das für überholt und fordern einen stärkeren Fokus auf den Bildungs- und Kulturauftrag, insbesondere zur Hauptsendezeit, die den Public Value des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stärker herausstellen. Die zunehmende Nivellierung des Kulturprogramms widerspricht dem eigentlichen Auftrag. Wir setzen uns für den Erhalt der Rundfunkorchester und -chöre ein, die teilweise zur Weltspitze gehören. Die ROC Berlin ist ein leuchtendes Beispiel für erfolgreiche Arbeit. Die Nachfrage nach Telenovelas hingegen kann auch von privaten Medien befriedigt werden. Solange ihre Produktion und Ausstrahlung aber mit dem Programmauftrag im Medienstaatsvertrag gerechtfertigt werden, ist auch klar, dass wir eine Neuformulierung desselbigen benötigen. Es muss eine breite Diskussion geführt werden, was im digitalen Zeitalter privater On-Demand-Anbieter wirklich noch zur Grundversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört.

Die Presse- und Meinungsfreiheit gilt völlig selbstverständlich auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Redaktionen und ist wie die Kunstfreiheit nach Art. 5 GG nicht verhandelbar. Angesichts der im Medienstaatsvertrag formulierten Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Angebote müssen sie sich allerdings auch Kritik gefallen lassen, wenn in größeren Teilen der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass jenes nicht mehr in vollem Umfang gegeben sei. Wir fordern die Anstalten dazu auf, dies auch in ihrem eigenen Interesse sicherzustellen.

Strukturreformen

Die im 6. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1991 ausgesprochene „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellen wir als FDP Berlin nicht infrage. Forderungen nach Privatisierung erübrigen sich deshalb. Die Ausgestaltung der verschiedenen Rundfunkanstalten innerhalb der ARD ist historisch gewachsen. Die im Medienstaatsvertrag festgelegte föderale Struktur zur regionalen und lokalen Vielfaltssicherung und Grundversorgung setzt der Zentralisierung Grenzen. Eine Zusammenlegung von ARD und ZDF oder die Schaffung von beispielsweise nur noch drei Rundfunkanstalten in der ARD sind daher keine realistische Option. Das heißt aber nicht, dass die Schaffung bzw. Erweiterung von Mehrländeranstalten künftig völlig ausgeschlossen wird. Nicht jedes Bundesland muss seine eigene Rundfunkanstalt haben. Die Aufnahme von Radio Bremen in den NDR und des SR in den SWR sollte in Erwägung gezogen werden.

Wichtiger als die Frage nach möglichen Zusammenlegungen ist allerdings die Minimierung von Doppelstrukturen. Hier bieten vor allem die Möglichkeiten der Digitalisierung großes Einsparpotenzial. Zahlreiche Aufgaben, vor allem im technischen und infrastrukturellen Bereich, müssen nicht in jedem Sender einzeln, sondern könnten auf übergeordneter Ebene erledigt werden. Es gibt ein Überangebot an Spartenprogrammen und Hörfunksendern. An dieser Stelle kann gekürzt werden, ohne den Auftrag zur Grundversorgung zu gefährden. Aufwand und Ertrag stehen vielfach in keinem Verhältnis. Hier muss gelten: Qualität vor Quantität! Langfristig ist infrage zu stellen, ob der lineare Ausstrahlungsweg über Kabel- und Satellitenfernsehen noch zukunftsträchtig ist. Nach unserer Einschätzung wird dies schrittweise durch Online-Streaming ersetzt werden. So wie das Festnetztelefon an Bedeutung verloren hat und junge Menschen heute fast nur noch Mobiltelefone verwenden, sehen wir eine Zukunft, in welcher die Programme hauptsächlich über die Smart-TV-App entweder live oder auf Abruf gestreamt werden. So könnte man erreichen, dass in den dritten Programmen der Fokus auf Informations-, Bildungs- und Kulturinhalte mit regionalem Bezug gelegt wird und kein ganzes Vollprogramm mit Wiederholungen oder sich kaum voneinander unterscheidenden Unterhaltungssendungen vorgehalten werden muss. Damit ließen sich massive Einsparungen und Verschlankung der Strukturen erzielen.

Tochtergesellschaften und auftragsferne Tätigkeiten müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Es ist zum Beispiel nicht zu vermitteln, wieso manche Anstalten Immobilienbesitz haben. Mehr Spitzenkräfte aus der Wirtschaft in den Führungsetagen wären wünschenswert, die die Rundfunkanstalten zu höherer Qualität im Management und Effizienz sowie schlankeren Strukturen führen. Schlechtes Management muss auch wirksame finanzielle Sanktionen nach sich ziehen.

Mittelbedarf und Finanzierungssystem

Wir kritisieren die Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 € pro Monat. Mittelfristig muss er stattdessen gesenkt werden, denn Deutschland leistet sich den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Aus Respekt vor den Beitragszahlern gebietet sich ein maßvoller Umgang mit Finanzmitteln. Wir erkennen die Einsparvorschläge vonseiten der Anstalten selbst an, gleichwohl halten wir sie jedoch ebenso wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) für unzureichend. Die Programmautonomie gilt es zu respektieren, aber an dieser Stelle, dem Kernprodukt, muss viel mehr gespart werden. Gleiches gilt für den Personalbereich, insbesondere im Rechnungswesen und bei den horrenden Kosten für die Pensionen. Bei Gehältern für Angestellte und Gagen für Talkshow-Moderatoren oder Künstlern in Unterhaltungsformaten herrscht an vielen Stellen Intransparenz, die es dringend zu beheben gilt. Den exorbitanten Ausgaben bei den Sportübertragungsrechten muss Einhalt geboten werden. Zur Beitragssenkung sollte auch eine Lockerung der Werbeauflagen beitragen, hierzu liegen bereits maßvolle, marktwirtschaftlich basierte Vorschläge vor.

Viele Menschen stören sich an der Zwangsfinanzierung durch den Rundfunkbeitrag, der 2013 die GEZ ersetzt hat und sich nicht mehr nach Empfangsgeräten und der Möglichkeit zur Angebotsnutzung, sondern nur noch nach der Wohnung richtet. Eine Debatte über ein alternatives Finanzierungssystem darf kein Tabu mehr sein. Für eine umfassende Reform befürworten wir die Errichtung eines staatlichen Rundfunkfonds, der in einem Ausschreibungsverfahren Aufträge für plattformübergreifende Inhalte vergibt. So sind eine Qualitätskontrolle, aber auch durch Marktkräfte eine effiziente Mittelverwendung und Wettbewerb hergestellt.

Konklusion

Wir fordern eine Bund-Länder-Kommission unter Einbindung der Kulturstiftung der Länder, die eine Neudefinition des Programmauftrags erarbeiten soll. Die Finanzmittel sind effizient und sparsam einzusetzen, sodass eine Senkung des Rundfunkbeitrags möglich wird. Alternative Finanzierungssysteme wie etwa ein Rundfunkfonds sollen geprüft werden. Solch ambitionierte Reformvorschläge werden auf Abwehrreaktionen stoßen. Aber keine Aufgabe darf zu groß sein, dass eine Diskussion nicht stattfindet. Wir brauchen diese Debatte jetzt, auch um die verschiedenen Ansätze aus Bundes- und einzelnen Landesverbänden sowie Bundestags- und Landtagsfraktionen zusammenzuführen und zu einer gemeinsamen, konsistenten Position weiterzuentwickeln. Haben wir den Mut dazu, sie anzustoßen!