Die Berliner FDP fordert eine offene und pluralistische Debatte über Straßennamen

In der Berliner Stadtgesellschaft wird eine Diskussion über die Umbenennung von Straßen und Plätzen geführt, deren Träger durch ihre Äußerungen oder ihre Tätigkeit für undemokratische, antisemitische oder andere diskriminierende Positionen stehen, etwa in Bezug zur Kolonialgeschichte. Die FDP wendet sich gegen pauschalierende Vereinfachungen und tritt für eine Diskussion ein, die historisch begründete Ambivalenzen berücksichtigt und stellt fest:

  1. Straßennamen werden seit jeher geändert und haben in erster Linie eine Ordnungs-, Orientierungs- und Erschließungsfunktion.
  2. Die FDP tritt aktiv gegen Antisemitismus und rassistische Diskriminierung ein. Dies ist Teil unserer liberal-demokratischen Tradition, die auch Ausdruck findet in der Würdigung und Ehrung von Persönlichkeiten im öffentlichen Raum.
  3. Damit scheidet die Ehrung von Diktatoren, Kriegsverbrechern und Wegbereitern menschenverachtender Ideologien im 20. Jahrhundert wie des Nationalsozialismus oder Stalinismus aus.
  4. Bei historischen Persönlichkeiten, die sich in politischer, kultureller oder gesellschaftlicher Hinsicht verdient gemacht, aber gleichzeitig auch antisemitische oder andere diskriminierende Positionen vertreten haben, braucht es eine besonders kritische und historisch fundierte Analyse ihres Lebenswerkes. Dabei ist es nötig, diese Persönlichkeiten auch im Lichte ihrer Zeit zu betrachten.
  5. Insofern begrüßen wir die vom Berliner Antisemitismusbeauftragten Samuel Salzborn angestoßene Diskussion über antisemitische Bezüge bei Berliner Straßennamen. Das antisemitische und auch das koloniale Erbe der deutschen und Berliner Geschichte spiegeln sich auch in Straßennamen wider.
  6. Wir sehen jedoch in Teilen der aktuellen Diskussion die Gefahr, historische Persönlichkeiten auf einzelne problematische Aspekte zu reduzieren. Dies würde einer umfassenden Betrachtung ebenso nicht gerecht wie die Abwehr von Begriffen, die aus ihrer Zeit zu bewerten sind.
  7. Eine Tilgung problematischer Namen aus dem Stadtbild könnte auch das Verschweigen ihres antisemitischen Erbes zur Folge haben. Wir benötigen keine Glättung unseres Geschichtsbildes, sondern eine differenzierte Betrachtung und bewusste Auseinandersetzung mit Ambivalenzen. Konkrete Pläne zur Umbenennung einer Straße müssen immer als Einzelfall betrachtet, geprüft und entschieden werden.
  8. Als Alternative bzw. Ergänzung zu einer Umbenennung steht aus unserer Sicht die sichtbare Kontextualisierung zur Debatte, etwa durch Infotafeln und/oder Medienstationen, ergänzt durch digitale Angebote (z.B. abrufbar über QR-Codes).
  9. Es ist für uns Freie Demokraten jedoch klar, dass nach ausführlicher

Abwägungen und Beratung auch eine Umbenennung am Ende des Prozesses stehen kann, ziehen jedoch grundsätzlich das Prinzip „Erklärung vor Umbenennung“ vor.

Die Debatte um antisemitische und andere problematische Bezüge von Straßennamen sollte nicht nur in akademischen Zirkeln, politischen Gremien oder dem Feuilleton stattfinden, sondern auch unter Beteiligung der Stadtgesellschaft. Wir sollten vor allem diejenigen einbinden, die von Antisemitismus betroffen sind und wollen ein pluralistisches Meinungsbild der in Berlin lebenden Juden einholen.