Die liberale Bürgergesellschaft – Der innere Kompass (Berliner Freiheit 2004)

Freiheit ist das wichtigste Gut, damit Menschen ihr Leben in Würde gestalten können. Höchstes Ziel und oberste Pflicht der liberalen Bürgergesellschaft ist es, größtmögliche Freiheit zu schaffen und zu erhalten. Viele Formen von Freiheit sind heute für uns eine Selbstverständlichkeit. Aber das war nicht immer so. Es bedurfte starker Anstrengungen vieler Generationen, all diese Freiheiten durchzusetzen.

Doch Freiheit ist auch heute nicht umsonst zu haben. Sie muss bewahrt und erneuert werden, um mehr als nur eine Floskel zu sein. Der Beitrag, den jeder einzelne leisten muss, ist Verantwortung. Wirklich frei ist nur, wer die Verantwortung für sein Handeln selbst trägt. Und nur wer frei ist, kann Verantwortung für sich übernehmen. Verantwortung und Freiheit sind untrennbar.

Zu einer liberalen Bürgergesellschaft gehört mehr als nur Verantwortung für das eigene Leben. Wir Liberale wollen die gegenseitige Verantwortung füreinander stärken und den Einfluss des Staates und anderer Institutionen gering halten. Weil der Staat angesichts der wachsenden Herausforderungen unserer Welt immer häufiger und deutlicher an seine Grenzen stößt, müssen wir uns unserer ursprünglichen Verantwortung füreinander wieder bewusst werden. Wer bei neuen Problemen nach dem Staat ruft, muss sich eingestehen, dass die Gesellschaft bei der Lösung des Problems bereits versagt hat. Nur wo die Schwachen von ihren Mitmenschen im Stich gelassen werden, muss es einen eingreifenden Staat geben. Darum fordern wir Liberale dazu auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir sind der festen Überzeugung, dass diejenige Gesellschaft die beste ist, in der es möglichst wenig Staat gibt, weil die Bürger ihrer gegenseitigen Verantwortung gerecht werden. Das ist unser Verständnis von liberaler Bürgergesellschaft.

Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen, ist somit oberstes Gebot für jeden Bürger. Dies unterscheidet den Bürger vom bloßen Individuum. Die liberale Bürgergesellschaft ist mehr als nur die Summe der Individuen einer Gemeinschaft. Sie bietet nicht nur die Freiheit von etwas, sondern auch die Freiheit zu etwas.

Jeder Mensch unterscheidet sich von seinen Mitmenschen und ist doch als Individuum gleich wertvoll. In der liberalen Bürgergesellschaft schafft der Staat gleiche Rahmenbedingungen. Bildung nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Sie ermöglicht uns, unsere Freiheit wertschätzen und mit unserer Verantwortung umgehen zu können. Durch Bildung soll jeder Mensch entsprechend seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten gefordert und gefördert werden. Nur so erhält er die Möglichkeiten, die er braucht, um seine Rolle in der Gesellschaft zu finden und wahrzunehmen.

Die liberale Bürgergesellschaft ist eine gerechte Gesellschaft, in der niemand untergeht. Notfalls müssen der Staat und die Gesellschaft dafür sorgen, dass jeder ein Leben in Würde führen kann.

Die liberale Bürgergesellschaft ist eine Gesellschaft, in der sich Leistung lohnt, weil wir alle zusammen nur dann gut leben können, wenn die unterschiedlichen Fähigkeiten und Qualitäten der Menschen bestmöglich genutzt und gefördert werden. Dafür brauchen wir keinen lediglich umverteilenden, sondern einen aktivierenden Staat, der Anreize setzt und Freiräume lässt, all das zu erarbeiten, was für ein gerechtes und funktionierendes Sozialsystem notwendig ist. Das bedeutet für uns Liberale Gerechtigkeit.

Die liberale Bürgergesellschaft ist eine wahrhaft soziale Gesellschaft, denn sie ist engagiert und gerecht. Sie fördert Leistungsbereitschaft und erkennt gesellschaftliches Engagement an. Wir wollen den Gesellschaftsvertrag erneuern und wieder mit Leben füllen. Bürger zu sein bedeutet, mit der Verantwortung für sich und andere zum Wohle aller umzugehen. Je mehr Möglichkeiten ein Bürger hat, umso mehr Verantwortung trägt er für seine Mitmenschen. Die Starken sind solidarisch mit den Schwachen. Denn Stärke ist relativ und kann verloren gehen. Nur eine Gesellschaft, in der die Menschen nicht ihrer persönlichen Verantwortung gerecht werden, braucht einen zwanghaft regelnden Staat.

Die liberale Bürgergesellschaft ist eine unvoreingenommene Gesellschaft. In ihr kann jeder Mensch nach seinen Wünschen leben, sofern er die Freiheit seiner Mitmenschen achtet. Die eigene Freiheit endet immer dort, wo die Freiheit anderer verletzt wird. Und findet ihre Grenzen in allgemein gesellschaftlich akzeptierten Werten. In der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit geben wir der Freiheit den Vorrang.

Die liberale Bürgergesellschaft ist eine dynamische Gesellschaft. Sie ist ständigen Veränderungen unterworfen, ihre Mitglieder entwickeln sie fort. Die liberale Bürgergesellschaft lebt vom Engagement der Einzelnen. Für dieses Engagement wollen wir eintreten, werben, überzeugen, streiten, kämpfen – in Berlin und darüber hinaus.