Ein starkes Berlin – in und für Europa

Berlin ist eine Brücke zwischen Europas Osten und Westen, Sehnsuchtsort für Menschen aus aller Welt. Durch ihre bewegte Geschichte wirkt die Stadt wie ein Leuchtturm für Freiheit, Offenheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. In ihr spiegelt sich die Geschichte Europas, das Streben nach Freiheit und Selbstverwirklichung und die Widerstandsfähigkeit der Menschen, die sich dafür einsetzen. Aber auch die Erfahrungen aus zwei verheerenden Weltkriegen, die bis heute Narben im Stadtbild hinterlassen haben. Bunt, von unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen geprägt, kosmopolitisch und nachbarschaftlich – wie kaum eine andere europäische Stadt verkörpert Berlin das Motto der EU „In Vielfalt geeint“. Wir Freie Demokraten verorten unsere Stadt dort, wo sie für uns hingehört: Im Herzen Europas.

Der europäische Gedanke und das Bewusstsein dafür, was Europa für die Entwicklung der Stadt und die Entfaltung der in ihr lebenden Menschen bedeutet, kann und muss durch Einbindung und transparente Kommunikation in den öffentlichen Debatten der Stadt präsenter werden: Europa ist für uns keine abstrakte Größe, sondern das Versprechen auf eine gemeinsame, selbstgestaltete wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft.

Der Alltag der Berlinerinnen und Berliner wird von den Entscheidungen beeinflusst, die in Brüssel getroffen werden. Mit Förderprogrammen und Strukturfonds unterstützt die EU Städte und Regionen auf dem Weg der Transformation zur CO2-Neutralität und fördert Investitionen in Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Bildung und soziale Inklusion. Dies alles sind Projekte, die wir begrüßen und die im Sinne einer einheitlichen, gemeinsamen Strategie der großen Städte und Metropolregionen nachhaltig verfolgt werden müssen.

Doch das Land Berlin verpasst seit Jahren die Chance, seine Interessen und Stärken in eine ganzheitliche Strategie zu gießen und so im positiven Wettbewerb der Städte und Regionen seine Potenziale auszuspielen. Als Mitglied des Netzwerks europäischer Städte Eurocities muss unsere Stadt selbstbewusst auf der europäischen Bühne auftreten und das Gewicht von Stadt, Land und Metropolregion als zentraler Teil der europäischen Ost-West-Achse geltend machen.

In Anbetracht der bevorstehenden Wahlen in das Europaparlament rufen wir Freie Demokraten Berlin, den Berliner Senat dazu auf, sein Handeln stärker vom europäischen Gedanken leiten zu lassen. Gleichzeitig muss Berlin selbstbewusster auf dem europäischen Parkett auftreten und seine Interessen vertreten. Wir fordern:

1.           Berlin zum Dreh- und Angelpunkt für EU 2030 und zum Vorbild für Fragen der Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln: Mit dem 3. Oktober 1990 begann unsere Stadt wieder zusammenzuwachsen. Im gleichen Atemzug wurde Ost-Berlin Teil der Europäischen Gemeinschaft. Der dann einsetzende Aufschwung unserer Stadt ist nur innerhalb einer vereinten Europäischen Union möglich gewesen. Durch die Erweiterung 2004, 2007 und 2013 ist Berlin vom Rand in das Zentrum der EU gerückt und zur europäischen Metropole aufgestiegen. Unsere Vielfalt in Berlin ist unsere Stärke. Wir wollen diese Stärke nutzen, um den Erweiterungsprozess aktiv zu begleiten. Berlin muss zum festen Ansprechpartner für unsere östlichen Nachbarn werden. Insbesondere der zivilgesellschaftliche Austausch zwischen den Berlinern und den Städten in Beitrittskandidaten sowie den ost- und ostmitteleuropäischen Mitgliedstaaten muss ausgebaut und auch mit EU-Mitteln gefördert werden.

Dabei muss Berlin Vorbild in Fragen der Rechtsstaatlichkeit sein. Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit in anderen EU-Mitgliedern dürfen wir nicht hinnehmen. Berlin muss ein Raum der Vielfalt und Freiheit bleiben und am eigenen Beispiel zeigen, dass ein gesellschaftliches Miteinander auf Basis der für alle geltenden Regeln und ohne Ausschluss der Minderheiten möglich ist. Zusammen mit den betroffenen Gruppen kämpfen wir für ein liberales Europa.

2.           Berlin gegen Einfluss aus China zu ertüchtigen: Der wachsende Einfluss der autoritären Volksrepublik China in der Welt stellt auch Städte und Kommunen vor Aufgaben, für deren Lösungen sie keine Expertise besitzen. Chinesische als Bildung getarnte Propaganda durch Konfuzius-Institute, Versuche der Spionage mittels Städtepartnerschaften und wissenschaftlicher Kooperation sowie grobe Verletzungen des nationalen Rechts in Form der Übersee-Polizeidienststellen: Antworten auf all diese Herausforderungen müssen in Brüssel koordiniert und lokal umgesetzt werden. Auch bei chinesischer Beteiligung an Berliner Unternehmen können die Folgen nicht immer genau eingeschätzt werden. Wir fordern EU-Leitlinien für die Zusammenarbeit mit Akteuren aus China auf Ebene der Kommunen und Städte. China-Expertise und Best Practices aus der ganzen EU müssen gebündelt werden, um koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen und den autoritären Kräften kein Einfallstor zu bieten. Gleichzeitig fordern wir den Berliner Senat und alle handelnden Akteure auf, die in Berlin bereits vorhandene vielfältige unabhängige China-Expertise, wie beispielsweise am Mercator Institute for China Studies (MERICS) oder beim Professional Briefing „ChinaTable“, aktiver in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und durch eine Ausweitung von Bildungsangeboten wie Sprachkurse die Grundlage für mehr Verständnis und Zugang zur chinesischen Kultur in der Berliner Bevölkerung zu stärken. Berlin braucht vor Ort mehr und nicht weniger China-Kompetenz!

3.           Migration nach Berlin kooperativ und nachhaltig zu gestalten: Als Metropole ist Berlin an qualifizierter Einwanderung interessiert. Gleichzeitig überlastet die illegale Einwanderung unsere Aufnahmekapazitäten, die Fähigkeit der Stadt, den tatsächlich Schutzbedürftigen Zuflucht zu bieten, wird blockiert. Vor dieser Herausforderung stehen viele Städte Europas, eine nachhaltige Lösung ist nur auf der EU-Ebene möglich. Wir fordern, die Reform der GEAS zu finalisieren, um illegale Einwanderung zu unterbinden, und zugleich Maßnahmen für die Erleichterung qualifizierter Einwanderung anzugehen. Dabei muss der Schutz der EU-Außengrenzen sichergestellt werden, statt Freizügigkeit innerhalb der EU einzuschränken. Um dringend benötigte Fachkräfte in den europäischen Binnenmarkt zu holen, setzen wir uns für eine EU-Fachkräftestrategie und einen europarechtlichen Rahmen ein, der Europas Arbeitsmarkt für Talente attraktiv macht.

Die Wege von und nach Polen sind für Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg lebenswichtige Adern unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Die Einführung stationärer Grenzkontrollen verletzt nicht nur das uns als EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern zustehende Recht der Bewegungsfreiheit, es ist auch Ausdruck einer schnellen Symbolpolitik und kein Mittel zur Bekämpfung von Ursachen. Deswegen dürfen stationäre Grenzkontrollen zu Polen ausschließlich als temporäre Maßnahme in absoluter Notsituation angewendet werden.

4.           Berlin als Stadt der europäischen Bildung zu etablieren: Berlin muss zu einem Zentrum der europäischen Bildung werden. Wir fordern die nachhaltige Stärkung der Staatlichen Europa-Schule Berlin als einzigartige, bilinguale Schulform. Die vorhandenen Strukturen müssen gestärkt und ausgebaut werden. Zudem soll sich das Land Berlin dafür einsetzen, dass die europäische Perspektive auf historische Ereignisse länderübergreifend gleichrangig mit der jeweils nationalen im Schulunterricht, beispielsweise im Geschichts- und Politikunterricht, berücksichtigt und gelehrt wird. Durch die Stärkung ihres eigenen Europaprofils kann unsere Stadt zu einem europäischen Vorbild werden.

Auch in der europäischen Erwachsenenbildung muss Berlin besser werden. Als Bundes-FDP fordern wir eine Europäische Online-Akademie, die allen Bürgerinnen und Bürgern Europas offenstehen und digitale Weiterbildungen niedrigschwellig verfügbar machen soll. Mit der Europäischen Akademie Berlin verfügt Berlin über eine exzellente Grundlage für solch eine digitale Bildungsstätte. Das digitale Angebot der europäischen Akademie Berlin gehört als Pilotprojekt zu einer Europäischen Online-Akademie Berlin nachhaltig ausgebaut. Dabei muss auch Vernetzung und Austausch mit ähnlichen Projekten in anderen EU-Ländern gefördert werden.

5.           Metropolregion Berlin-Brandenburg auf dem Weg zur nachhaltigen und digitalen Transformation zu unterstützen: Die EU unterstützt Mitgliedsstaaten, Gemeinden und Unternehmen bei der Transformation hin zur Klimaneutralität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Kriterien für solche Unterstützung dürfen nicht kleinteilig sein. Die EU muss die Stoßrichtung vorgeben und mittelfristige Ziele definieren; dabei ist ein wesentliches Ziel die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze des Übereinkommens von Paris. Die Konformität mit diesem Grenzwert muss eine Grundlage für die Vergabe von Fördermitteln sein. Über die konkreten Maßnahmen müssen Unternehmen und Gemeinden selbst entscheiden können. Dabei ist Technologieoffenheit zu wahren. Entsprechend sind die Förderkriterien anzupassen. Da klimatische Veränderungen im urbanen Raum besonders intensiv auftreten, sollen Städte durch diese Förderung bei ihrer Anpassung an die Folgen des Klimawandels stärker unterstützt werden. Als Metropolregion Berlin-Brandenburg fordern wir, dass bei der Vergabe der Mittel zur Förderung ländlicher Räume stärker auf Verzahnung der Metropolen mit den umliegenden ländlichen Gebieten gesetzt wird. Berliner Unternehmen, Verwaltung und Bürger haben ein enormes Interesse an Förderung der Digitalisierung und dem Ausbau der digitalen Infrastruktur. Die Ziele der digitalen Dekade der EU teilen wir. Doch die Digitalisierung darf nicht auf Kosten der Bürgerrechte erfolgen. Das Recht der Berliner und Berlinerinnen auf Anonymität im öffentlichen Raum ist unantastbar. Wir plädieren daher für ein Verbot von biometrischer Echtzeitüberwachung im öffentlichen Raum, wie es das Europäische Parlament auch klar gefordert hat. Auch Chat-Kontrollen lehnen wir ab.

6.           Berlin steht zur Ukraine: Die völkerrechtswidrige Invasion der Ukraine durch die Russische Föderation und der Versuch, ukrainisches Territorium dauerhaft zu vereinnahmen, sind der größte Angriff auf den Frieden in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Berlin muss die Ukraine entschieden bei ihrer Selbstverteidigung unterstützen und sich aktiv auf den kommenden Wiederaufbau in dem Land vorbereiten. Als Freie Demokraten unterstützen wir die be- und entstehenden Städtepartnerschaften zwischen Berlin, den Berliner Bezirken und ukrainischen Städten. Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem Krieg aus ihrem Land fliehen mussten, sind in Berlin willkommen. Als Freie Demokraten fordern wir, dass sich die Berliner Politik darauf einstellt, dass viele dieser Menschen noch lange, vielleicht auch dauerhaft in Berlin bleiben werden. Ziel ist, ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt und so in ein aktiv selbstbestimmtes Leben zu ebnen. Zudem sind viele russlandstämmige Menschen in Berlin vor der Repression in Russland geflohen. Wir möchten, dass auch sie eine Heimat in Berlin finden können. Als Freie Demokraten wollen wir vor Ort und in der EU die Arbeit gegen Desinformation und gezielte Einflussnahme verstärken, weil sie unsere liberale Demokratie untergraben. Gerade Medienschaffende können mit authentischer Berichterstattung aus dem Exil dazu einen Beitrag leisten. Mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament ist die Umsetzung des Europäischen Aktionsplans für Demokratie wichtig und muss durch lokale Maßnahmen der politischen Bildung, für demokratische Teilhabe, für Medienkompetenz, Medienfreiheit und Pluralismus unterstützt werden.

7.           Zunehmenden Antisemitismus in der EU zu bekämpfen und Israel zu unterstützen: Israel liegt in Europas Nachbarschaft und ist die einzige liberale Demokratie und somit der einzige verlässliche Partner Europas im Nahen Osten. Am 7. Oktober griff die Terrororganisation Hamas Israel an und tötete über 1400 Israelis auf barbarische Art und Weise. Mehr als 220 wurden in den Gazastreifen als Geiseln entführt, darunter Kinder, Säuglinge und Holocaustüberlebende. Seit der Shoah wurden nicht mehr so viele Jüdinnen und Juden an einem Tag ermordet. Löste dies zunächst weltweit Schockieren und Solidaritätsbekundungen aus, drehte sich die öffentliche Meinung schnell, nachdem Israel im Zuge der Selbstverteidigung eine Militäroperation in Gaza startete. Dies wiederum rief massive Reaktionen weltweit, in Europa und Berlin hervor. Oftmals wird Israel unverhältnismäßig kritisiert und es werden antisemitische Stereotype bedient. Auch die Gewalt gegen das jüdische Leben nimmt zu, in Berlin wurde eine Synagoge mit Molotowcocktails beworfen. Jüdinnen und Juden in Berlin, Deutschland und Europa sind verängstigt, lassen ihre Kinder nicht mehr zu Schule gehen und verstecken ihr Jüdischsein, während sich Islamisten und andere Antisemiten verstärkt in den öffentlichen Raum drängen und die liberale Gesellschaftsordnung infrage stellen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Das Betätigungsverbot für die Hamas und das Verbot der PFLP-Vorfeldorganisation Samidoun waren längst überfällig. Nun müssen konkrete Taten folgen. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut; wenn jedoch auf angeblich propalästinensischen Demonstrationen zur Gewalt gegen Jüdinnen und Juden aufgerufen, das Existenzrecht Israels bestritten oder islamistische Symbolik offen gezeigt wird, müssen die Sicherheitskräfte reagieren und solche Exzesse unterbinden. Der Berliner Senat muss jüdische Einrichtungen stärker durch Polizeipräsenz schützen und unangemeldete Demonstrationen gegen Israel im öffentlichen Raum unterbinden. Organisationen, die Islamismus und Terrorismus in Berlin oder Deutschland unterstützen oder fördern, müssen verboten und deren Strukturen nachhaltig zerschlagen werden. Die deutsche Bundesregierung hat sich eindeutig hinter Israel gestellt und das Existenzrecht als Staatsräson bekräftigt. Leider sehen das nicht alle europäischen Partner so. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, auf EU-Ebene die legitimen Interessen Israels zu vertreten und bei anderen Mitgliedsländern dafür zu werben. Gleiches gilt für die weitere internationale Ebene.