Ein Wachstumschancengesetz für Berlin

Die Corona-Jahre und die Zeit des wirtschaftspolitischen Winterschlafs in den letzten Jahren der großen Koalition haben ihre Spuren hinterlassen – auch am Standort Berlin. Das Bundesland rangiert in der Liste der meisten Unternehmensinsolvenzen ganz vorne. Zudem weist Berlin die zweithöchste Arbeitslosenquote und die zweithöchste Jugendarbeitslosenquote im Ländervergleich auf.

Die ökonomische Lage im Rest der Republik ist ebenfalls besorgniserregend. Die deutsche Wirtschaft wird aus Sicht des Internationalen Währungsfonds in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen. Deutschland ist auf der Rangliste der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften um sieben Plätze auf Rang 22 zurückgefallen und hat seinen Platz unter den TOP-10-Standorten für Start-ups verloren. Hohe Steuer- und Sozialabgaben, Fachkräftemangel, Bürokratie sowie hohe Energiepreise hemmen den Fortschritt und schwächen unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Mit dem von Bundesfinanzminister Christian Lindner vorgelegten Wachstumschancengesetz werden wichtige Impulse für das Wiedererstarken der deutsche Volkswirtschaft gesetzt. Neben der Einführung einer liquiditätssteigernden Investitionsprämie für Wirtschaftsgüter aus den Bereichen Energie- und Ressourceneffizienz wird auch eine Vielzahl von Anpassungen im Steuerrecht vorgenommen. Unternehmen und Selbständige werden dadurch in erheblichem Umfang von Meldepflichten befreit, bürokratischer Aufwand – und damit Kosten – wird deutlich reduziert.

Wir müssen für die Berliner Wirtschaft einen zusätzlichen Stimulus auf Landesebene setzen. Mit einem Wachstumschancengesetz für Berlin wollen wir Freiräume schaffen und Kapazitäten für zusätzliche Investitionen in Innovation und Jobs generieren.

Ein Wachstumschancengesetz für Berlin muss die folgenden Punkte umfassen:

Rückwärtsgang für Bürokratie

Bürokratieabbau ist Wachstumspolitik zum Nulltarif. Darum braucht Berlin ein “one in, two out”-Prinzip bei neuen bürokratischen Lasten. Neue Gesetze und Verordnungen sollen durch den Landesrechnungshof auf ihre zu erwartenden Bürokratiekosten geprüft und mit einem Verfallsdatum versehen werden. Sie dürfen nur dann verlängert werden, wenn sie nach Ablauf noch immer erforderlich und verhältnismäßig sind.

Außerdem müssen es Start-ups sowie Gründerinnen und Gründern ermöglicht werden, in einer sogenannten Sand-Box-Phase in einem bürokratiefreien Jahr erste unternehmerische Schritte zu gehen.

Fachkräftemangel bekämpfen – kurzfristig und effektiv

Gerade der Mittelstand leidet unter fehlenden Fachkräften. Daher muss die Anwerbung intensiviert und ihre Effizienz deutlich gesteigert werden. Gemeinsam mit den Partnern aus der Wirtschaft muss ein Katalog von “Mangelberufen” und “Mangelqualifikationen” erstellt werden. Für diese Profile müssen attraktive Werbekampagnen im Ausland aufgesetzt werden. Diese Aufgabe muss, zusammen mit der Wirtschafts- und Ansiedlungsförderung, in einer eigenständigen Organisation gebündelt und eng mit dem Liegenschaftsmanagement und der Stadt- und Regionalentwicklung koordiniert werden. Um Fachkräften einen möglichst schnellen und guten Start in Berlin zu ermöglichen, muss der Berliner Business Immigration Service kundenorientiert ausgebaut und zum “One Stop Shop” für ausländische Fachkräfte gemacht werden. Der gesamte Bewerbungsprozess soll, notwendige Behördengänge müssen vollständig digital möglich sein. Berlin braucht zudem eine “Bring a friend”-Initiative, bei der Personen mit einer Prämie belohnt werden, wenn sie zur Vermittlung einer dringend benötigten Fachkraft entscheidend beitragen. Darüber hinaus ist das Landesamt für Einwanderung personell und strukturell so auszustatten, dass es seiner Aufgabe gerecht wird. Die Überforderung der Behörde darf nicht weiter dazu führen, dass Menschen in Berlin die Jobperspektiven genommen werden, weil die Behörde nicht ihren Aufgaben nachkommen kann. Daher müssen die Digitalisierungsprozesse des LEA weiter priorisiert und die Zentralisierung zügig abgeschlossen werden.

Landesvergabegesetz abschaffen

Berlin versteht sich als eine Metropole von Weltrang. In vielen Lebensbereichen verzwergt sie sich jedoch selbst auf Kreisstadtniveau. Zur Stärkung des Einzelhandels muss sich der Berliner Senat auf Bundesebene für eine Freigabe der Ladenöffnungszeiten einsetzen. In einem ersten Schritt sollen die Bezirke weitere verkaufsoffene Sonntag zusätzlich genehmigen und eigenständig terminieren können.

Mehr Freiheit für das Gastgewerbe

Sperrstunden lehnen wir grundsätzlich ab. Restaurants und anderen Betrieben sollte es erlaubt sein, Gehwege gegen Gebühr zu nutzen, solange ausreichend Platz für Fußgänger sichergestellt ist.

Transformation finanzieren

Die digitale Transformation und die Transformation zur Klimaneutralität erfordern Investitionen in Milliardenhöhe, die vor allem von der Wirtschaft gestemmt werden müssen. Kluge Ideen, zukunftsträchtige Geschäftsmodelle und nachhaltig wirkende Investitionen benötigen eine erfolgreiche Finanzierung, vor allem in der Energiewirtschaft, der Industrie, der Verkehrs- und der Wohnungswirtschaft. Ähnlich dem Modell Fin.Connect.NRW braucht Berlin eine Finanzplatzinitiative, die Betriebe, Kreditwirtschaft, Versicherungen und andere Investoren zusammenbringt, um Impulse zu setzen, Projekte anzustoßen und Chancenkapital zu mobilisieren.

Chancenkapital weiter ausbauen

Die Standortbedingungen in Berlin für Akzeleratoren, Business Angels und Wagniskapital-Fonds müssen verbessert werden, um Start-ups in der Gründungs- und Wachstumsphase Entwicklungsmöglichkeiten jenseits staatlicher Finanzierungswege zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass Berlin attraktiver für Venture Capital-Investoren wird. Hierfür muss unter anderem die Investitionsbank Berlin-Brandenburg darin unterstützt werden, ihre Venture Capital-Aktivitäten auszuweiten. Darüber hinaus muss es Start-ups erleichtert werden, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Grundsätzlich soll die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Start-ups weiter verbessert werden.

Digitalisierung first

Die digitale Verwaltung ist eine zentrale Voraussetzung für einen leistungsfähigen und unkomplizierten Staat, der Chancen ermöglicht, statt sie durch umständliche Verwaltungsabläufe auszubremsen. Für mehr Tempo bei der Digitalisierung brauchen wir deshalb einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen. Zudem sollen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen gemäß dem Once-Only-Prinzip Daten und Nachweise nur einmalig an die Verwaltung übermitteln müssen. Für weitere Anliegen können Behörden als One-Stop-Shops dann auf die bereits vorhandenen Informationen zugreifen.

Digi-Booster für die Verwaltung – KI statt Holzfußstempel

Viele Verwaltungsdienstleistungen sind Standardprodukte, etwa die Genehmigung zur Nutzung von Außenflächen für die Gastronomie. Solche und vergleichbare Verwaltungsvorgänge müssen vollständig digital abgebildet und unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz (KI) zur Entscheidung vorbereitet werden. Der Letztentscheider prüft lediglich auf Plausibilität und gibt die von der KI vorbereitete Entscheidung frei.

Say no to Gold-Plating

Unter Gold-Plating versteht man den Zuwachs an Komplexität und Regelungsdichte bei der Umsetzung von EU- und Bundes-Regelungen in Landesrecht. Senat und die ihn tragenden Fraktionen müssen sich auf eine reine 1:1-Umsetzung verpflichten mit dem Ziel, die bürokratischen Lasten auf ein Minimum zu reduzieren. Bei eigenen Gesetzen und Verordnungen muss sich Berlin künftig an der deutschlandweit einfachsten und unkompliziertesten Lösung orientieren.

Englisch als weitere Verkehrssprache etablieren

Will Berlin nicht den Anschluss an die internationale Spitze verlieren, muss die Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung möglich sein und somit Englisch als Verkehrssprache etabliert werden. Es versteht sich von selbst, dass jede weitere Fremdsprache wie etwa Arabisch, Türkisch, Russisch, Polnisch oder Vietnamesisch, die eine Verwaltungsmitarbeiterin oder ein Verwaltungsmitarbeiter beherrscht, unsere Metropole zusätzlich attraktiv macht. Es muss jedoch anerkannt werden, dass Englisch nach wie vor die Sprache von Wirtschaft und Wissenschaft ist und in den meisten Ländern als erste Fremdsprache an den Schulen unterrichtet wird.

Erwirtschaften vor Verteilen

Wir brauchen einen Sinnes- und Gesinnungswandel in Berlin – gerade in der Landespolitik. Der Grundsatz “Erwirtschaften vor Verteilen” muss Handlungsmaxime für alle Politikbereiche sein. Die Zeiten für Berliner Sonderwege und Nischenthemen sind vorbei. Politik und Verwaltung müssen sich auf die Förderung der Wirtschaftsleistung und damit die Sicherung der ökonomischen Grundlagen unseres gesellschaftlichen Miteinanders verpflichten. Die Vorschläge der Senatsparteien CDU und SPD zur Aussetzung der Schuldenbremse sind vor diesem Hintergrund unverantwortlich und Gift für den Standort Berlin.

Berliner Außenwirtschaftspolitik zur Wirtschaftsförderung weiter entwickeln

Das Außenwirtschaftsbüro des Landes Berlin in Polen muss jetzt die Weichen stellen und sich mit Unternehmen in und aus der Ukraine weitervernetzen. So soll sichergestellt werden, dass das Land Berlin mit seinen Start-Ups und Unternehmen durch eine bessere Vernetzung einen wirtschaftlichen Beitrag zum Wiederaufbau nach der gelungenen Abwehr der russischen Invasion in der Ukraine leisten kann.

Technologieoffenheit statt Ideologie

Die Soziale Marktwirtschaft ist die Grundlage unseres Wohlstands und damit auch die Grundlage unseres Sozialstaats. In einem starken ordnungspolitischen Rahmen führen die freien Kräfte des Marktes zu den individuell besten Lösungen. Diesem Grundsatz folgend ist Technologieoffenheit der Schlüssel für mehr Innovation und den Wettstreit um die besten – marktgängigen und effizientesten – Lösungen. Technologieoffenheit muss zwingend bei allen staatlichen Fördermaßnahmen als Grundsatz festgeschrieben sein.

Qualifizierungsoffensive für Arbeitsuchende

Berlin braucht ein Bündnis von Senat, Jobcentern und Zeitarbeitsunternehmen, damit Zeitarbeit für Menschen mit geringer Qualifikation und langer Arbeitslosigkeit zur Brücke in den ersten Arbeitsmarkt wird. Dazu ist es notwendig, Angebote zu schaffen, die eine hohe, selbstbestimmte Beteiligung der Hilfeempfänger an der Jobvermittlung ermöglichen und Langzeitarbeitslose individuell fördern.

Bauen statt klauen

Der Wohnungsmangel kann nur durch den Bau weiterer Wohnungen gelöst werden. Die Berliner Politik folgt aber lieber extremistischen Enteignungsphantasien. Ein gegenteiliger Ansatz ist richtig: das Land muss endlich aufhören, durch immer mehr Eingriffe in den Markt den Bau neuer Wohnungen zu sabotieren. Wir fordern den Milieuschutz und die Mietpreisbremse abzuschaffen. Der Milieuschutz ist ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht und verhindert dringend benötigte Investitionen. Die Mietpreisbremse setzt den Preismechanismus außer Kraft, dadurch wird der Neubau von Wohnungen desincentiviert und Wohnungssuchende systematisch benachteiligt. Zusätzlich müssen Berlins Bebauungspläne liberalisiert werden, um eine deutlich dichtere Bebauung in der Innenstadt zu ermöglichen. Abstandsflächen und andere Regularien sollten reduziert werden. Dachausbauten sollten grundsätzlich erlaubt und weitere Standorte für Hochhäuser definiert werden. Die Berliner Traufhöhe sollte in ihrer Pauschalität abgeschafft werden. Außerdem müssen weitere Flächen wie der Rand des Tempelhofer Feldes und die Elisabeth-Aue endlich bebaut werden.