Inneres und Sicherheit (AGH-Wahlprogramm 2011)

Sicherheit und Freiheit in Balance

Die Achtung der Werte unserer Verfassung, der Schutz der grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte, die Bewahrung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind die Basis einer freien und friedlichen Gesellschaft. Die Innenpolitik hat daher eine zentrale Bedeutung für die Bürgerrechtspartei FDP. Aufgabe des Staates ist es, die Menschen davor zu schützen, dass ihre Rechte verletzt werden.

Wir wollen keine Gesellschaft, in der Menschen, die sich an Recht und Gesetz halten, keine Privatsphäre mehr haben, weil der Staat jedem mit Misstrauen begegnet. Im Gegenteil: Jeder, der sich nichts zu Schulden kommen lässt, hat Anspruch darauf, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden.

Darum wollen wir Sicherheitsgesetze, die einen effektiven Schutz vor Verbrechen bieten. Allerdings darf der Sicherheitsgedanke nicht so weit führen, dass die Grundrechte aller von vornherein oder auf Vorrat eingeschränkt werden und Eingriffe sich nicht mehr an der Abwehr konkreter Gefahren orientieren. Jede Regelung muss das Ergebnis einer Abwägung zwischen dem potentiellen Gewinn an Sicherheit und dem damit einhergehenden Verlust an Freiheit sein. Absolute Sicherheit kann es in einem freiheitlichen Staat nicht geben. Ein Staat, der auf die Freiheit setzt, kann nicht mit Mitteln eines Überwachungsstaats agieren, ohne dabei genau das aufzugeben, was er verteidigen möchte: die Grundrechte und die Freiheit der Menschen. Für Liberale gilt bei der Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit: Im Zweifel für die Freiheit!

Extremismus

Die FDP verurteilt jede Art von Extremismus und ideologische Intoleranz, egal, ob von „links“, „rechts“ oder aus vermeintlich „religiösen“ Gründen. Niemand, erst recht kein Extremist, darf einem Bürger diktieren, in welchem Bezirk er wohnen, Eigentum erwerben oder welche Automarke er fahren darf. Niemand darf anderen Menschen deren Menschenrechte zum Beispiel aufgrund des Geschlechts, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität absprechen.

  • Linksextremistische Tendenzen wollen wir daher ebenso wie beim Rechts- und religiösem Extremismus frühzeitig gesellschaftlich bekämpfen.
  • Die Polizei muss in die Lage versetzt werden, Kfz-Brandstiftungen und andere extremistische Delikte verstärkt zu verfolgen. Wir werden die Beweissicherung auch bei Gewalttaten anlässlich von Großlagen wie zum Beispiel dem 1. Mai sicherstellen.
  • Mit der Aufklärung über die Gefahren des Extremismus wollen wir schon bei Kindern und Jugendlichen ansetzen. Diese Inhalte müssen daher früh Gegenstand der schulischen Bildung werden.

Polizei

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Berlin braucht eine moderne bürgernahe Großstadtpolizei. Die Polizei muss mehr Präsenz auf der Straße zeigen können, um wieder anerkannter Ansprechpartner für die Bürger („Freund und Helfer“) zu werden.

  • Wir werden die Polizei durch Anhebung des Personalbestands um 300 auf 16.160 Polizeivollzugsbeamte und durch moderne Einsatzausstattung in die Lage versetzen, ihre Präventionsanstrengungen zu verstärken.
  • Das staatliche Gewaltmonopol muss von allen Gesellschaftsgruppen anerkannt und respektiert werden. Parallelgesellschaften mit eigener Gewaltausübung werden wir nicht tolerieren.
  • Orte unverhüllter Kriminalität darf es nicht länger geben. Wir werden solche Orte zu Schwerpunkten des polizeilichen Handelns machen.
  • Wir wollen, dass die Bürger mit dem Kontaktbereichsbeamten wieder flächendeckend nicht nur auf dem Papier sondern tatsächlich einen polizeilichen Ansprechpartner erhalten.

Feuerwehr und Rettungsdienste

Wir werden gewährleisten, dass die Berliner Rettungsdienste künftig die vorgegebenen Eintreffzeiten bei der Lebensrettung in allen Berliner Bezirken einhalten.

  • Echte Notfälle müssen gegenüber Bagatellen vorrangig behandelt werden. Dazu werden wir die Notrufbearbeitung priorisieren und optimieren, um dem anwachsenden Bedarf im Bereich der Notfallrettung gerecht zu werden.
  • Krankentransportaufgaben und Rettungsdienste mit niedriger Priorität werden wir verstärkt durch Private erledigen lassen, um die Versicherten finanziell zu entlasten und das Leistungsniveau bei wichtigen Notfällen zu steigern.

Bürgerrechte

Bürgerrechte und deren Wahrung sind zentraler Teil liberaler Politik. Die Freiheit des Einzelnen hat grundsätzlich Vorrang gegenüber staatlicher Regulierung. Politische Zielvorstellungen werden wir nicht durch Verbote ohne Nachweis einer Geeignetheit der Maßnahme durchsetzen, sondern durch intelligente Rahmensetzungen und Anreizmechanismen, die dem mündigen Bürger Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen einräumen. Wir stellen uns gegen eine Politik, die Problemlösungen schnell in Verboten und schärferen Gesetzen erblickt.

  • Eingriffe in Grundrechte kommen für uns nur dann in Betracht, wenn die Eignung einer Maßnahme tatsächlich erwiesen ist und auf wirksame mildere Mittel nicht ernsthaft zurückgegriffen werden kann.
  • Zudem werden wir durchsetzen, dass von der Berliner Polizei zur Gefahrenabwehr nur noch Daten von rechtskräftigen Verurteilungen und nicht – wie bislang – auch von Verfahrenseinstellungen herangezogen werden dürfen.
  • Wir wollen, dass jeder unbescholtene Bürger sich unbeobachtet im öffentlichen Raum bewegen kann. Eine diesbezügliche verdachts- und anlassunabhängige Überwachung lehnen wir daher ab. Videoaufnahmen im öffentlichen Raum dürfen daher nur bei konkretem Verdacht einer Straftat dauerhaft gespeichert werden. Nur für die Aufklärung einer Straftat können die relevanten Aufnahmen der letzten Stunden durch technische Mittel gesichert werden (Quick-Freeze-Verfahren). Eine Vorratsdatenspeicherung lehnen wir ab.
  • Liberale Politik tritt für den Grundrechtsschutz ein. Erhebliche Eingriffe dürfen nur nach vorheriger Zustimmung durch einen Richter erfolgen. Eilmaßnahmen müssen die Ausnahme bleiben.
  • Der Richtervorbehalt darf nicht durch die Annahme von Gefahr im Verzug de facto umgangen werden. Wir setzen uns gegen eine Lockerung des Richtervorbehalts ein und wollen die praktische Einhaltung des Richtervorbehalts ebenso wie die tatsächliche Durchführung einer richterlichen Prüfung durch eine rechtswissenschaftliche Forschungseinrichtung untersuchen lassen.

Datenschutz

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„alignright|Liberale auf der Demo „Freiheit statt Angst“ size-large is-resized“><img src

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Ein wirksamer Datenschutz ist Voraussetzung für die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger. Dabei ist der Grundsatz der Datensparsamkeit oberstes Gebot: Daten, die gar nicht erst erhoben werden, können auch nicht missbraucht werden.

  • Für den Bürger muss erkennbar sein, welche Daten erhoben und wie diese genutzt und ggf. verbreitet werden. Daher wollen wir die Auskunftsansprüche zu gespeicherten eigenen Daten stärken, vor allem über das Internet. Die Auskunft soll grundsätzlich kostenlos erfolgen.
  • In öffentlichen Stellen müssen Zugriffsrechte auf gespeicherte Daten auf die für die jeweilige Aufgabe notwendige Datenmenge beschränkt werden. Um das zu gewährleisten, ist der Berliner Beauftragte für Datenschutz frühzeitiger in Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen, was wir gesetzlich absichern werden.
  • Medienkompetenz wollen wir bereits frühzeitig in der Schule vermitteln, so dass Kinder und Jugendliche mögliche Konsequenzen freiwillig verbreiteter Daten insbesondere bei der Nutzung des Internets selbst einschätzen können.
  • Ebenso lehnen wir das systematische automatisierte Erfassen von Fahrzeugkennzeichen ab, da dadurch ein Generalverdacht gegenüber allen Verkehrsteilnehmern zum Ausdruck gebracht wird.
  • Wir sehen die Privatsphäre eines Menschen gegenüber privatwirtschaftlichen Akteuren nicht minder schützenswert an als gegenüber staatlichen Stellen. Gerade hier wollen wir die Rechte von Bürgern auf informationelle Selbstbestimmung stärken und den Schutz ihrer personenbezogenen Daten verbessern. Insbesondere wollen wir kommerziellen Missbrauch von persönlichen Daten und das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen verhindern.
  • Dem missbräuchlichen Erheben, Nutzen oder Verbreiten von Daten werden wir durch wirksame Sanktionen entgegentreten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch bei einer erlittenen immateriellen Schädigung ein zivilrechtlicher Mindestschadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann.
  • Wir setzen uns für eine Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei der Erteilung von Melderegisterauskünften ein. Auskünfte sollen zukünftig nur noch bei Vorliegen eines berechtigten Interesses erfolgen. Auskünfte zum Zwecke der Markt- und Meinungsforschung, der Werbung und des Adresshandels sollen künftig nur noch dann zulässig sein, wenn die Betroffenen einer Übermittlung ihrer Meldedaten für diesen Zweck zugestimmt haben.

Transparenz und Korruptionsbekämpfung

Die FDP setzt auf Transparenz. Korruption und Filz in der Berliner Politik und Verwaltung werden wir einen Riegel vorschieben.

  • Landesunternehmen und Verwaltung müssen Auftragsvergaben nach wirtschaftlichen Kriterien vornehmen, nicht nach Parteibuch. Indem wir diese Filz-Wirtschaft zu Gunsten weniger Genossen beenden, können wir alle Steuerzahler entlasten und fairen Wettbewerb sicherstellen.
  • Wir setzen uns für eine gesetzliche Sperrfrist-Regelung ein, die den Eintritt in ein Geschäft oder Unternehmen, auf das mit einem vorhergehenden politischen Amt Einfluss genommen werden konnte, für wenigstens zwei Jahre verhindert.
  • Wir treten für ein konsequentes Vier-Augen-Prinzip ein.
  • Die geplanten Maßnahmen zur Umsetzung der Korruptionsbekämpfung durch den Berliner Senat müssen unverzüglich und konsequent umgesetzt werden.
  • Die Transparenz der Arbeit der Bezirke wird durch Bezirksbilanzen, die den Bürger jährlich über die Arbeit der Verwaltung aufklären, erhöht. Die Gebühren für Auskunftserteilung und Akteneinsicht im Rahmen des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes werden abgeschafft. Lediglich die Kostenübernahme für Kopien und Abschriften bleibt erhalten.
  • Auf Landes- und Bezirksebene sollen die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die Angehörigen der Verwaltung und die Geschäftspartner der öffentlichen Hand die Möglichkeit erhalten, sich an einen Vertrauensanwalt zu wenden. Dieser soll von den Genannten vertrauliche Mitteilungen entgegen nehmen, aus denen sich der Verdacht von Korruption oder anderen schwerwiegenden Verfehlungen ergibt. Ziel seiner Arbeit soll die Aufklärung von Korruptionssachverhalten und die Herauslösung von darin verwickelten Personen sein. Der Vertrauensanwalt soll den Personen, die Hinweise zur Korruption geben, auf ihren Wunsch anwaltliche Verschwiegenheit zusichern können.

Direkte Demokratie und Wahlrecht

Wir setzen uns dafür ein, dass die direkte Teilhabe der Bürger an wichtigen Entscheidungen für unsere Stadt gestärkt wird. Wir wollen deshalb die direkte Demokratie weiter ausbauen.

  • Die Bürger sollen bei wichtigen großen Vorhaben berlinweiter Bedeutung (v.a Infrastrukturvorhaben) frühzeitig ausführlich über Alternativen informiert und ihnen Gelegenheit zur öffentlichen Diskussion gegeben werden. Dadurch wird die Legitimation von Entscheidungen erhöht und die Verfahren werden verkürzt.
  • Abstimmungstermine von Volks- und Bürgerentscheiden müssen nach dem Interesse der Bürger und nicht nach Gutdünken des Senats bestimmt werden. Sie sollen auf maximal drei im Voraus definierte Abstimmungstermine pro Jahr konzentriert und möglichst mit Wahlterminen verbunden werden.
  • Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Bürgerentscheide in den Bezirken in Zukunft verbindlich sind. Derzeit haben die meisten Bürgerentscheide nur empfehlenden Charakter.
  • Das Wahlrecht ist ein Bürgerrecht. Wir werden den Wählern beim Wahlvorgang mehr Einfluss auf die Listenreihenfolge der Kandidaten einräumen und ihnen ermöglichen, mit ihrer Stimme nicht nur Parteien, sondern auch einzelne Bewerber auszuwählen und so die Parteilisten zu verändern. Wir bleiben die einzige Partei in Berlin, die sowohl auf Bezirks- als auch auf Landesebene das so genannte „Kumulieren“ (Gewichtung von Kandidaten) und „Panaschieren“ (Aufteilung der Stimmen auf mehrere Parteien) einführen will.