Jeder Mensch ist von Natur aus einzigartig und in sich schon vielfaltig – Diversität in der Bildung – ABC der Vielfalt

Grundsätze

Wir leben in einer vielfältigen, heterogenen und demokratischen Gesellschaft, in der jede/jeder seine/ihre Individualität leben kann. Diversität steht dafür, unsere Differenzen und Unterschiede zu respektieren, zu schätzen und als Vorteil zu betrachten. Diversität leben und als Maxime zu betrachten bedeutet, dass man sich für die Chancengleichheit jedes einzelnen Menschen, der benachteiligt wird, einsetzt. Leider bestimmen aber das Geschlecht, die sexuelle Identität, die Ethnie, vor allem auch die soziale Herkunft, noch immer welche gesellschaftliche Rolle wir einnehmen und welche Chancen wir auf eine gute Zukunft haben.

Der Auftrag der Schule ist es, Schülerinnen und Schülern hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und ihrer Individualität zu fördern. In der Schule muss allen Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, dass die Freiheit und Menschenwürde von jedem Menschen zu respektieren ist.

Bildung muss zudem die Fähigkeit stärken, Vielfalt selbstbewusst als Chance und Bereicherung zu begreifen und die Herausforderungen positiv anzunehmen und konstruktiv aufzulösen. Vielfalt geht alle an. Deshalb dürfen sich Diskriminierungsgefährdete nicht isolieren (lassen), sondern selbstbewusst und solidarisch zusammenstehen.

Handelnde

Lernende

Für Berliner Schülerinnen und Schüler soll es Individuelle Begleitungs- und Beratungsmöglichkeiten geben. Die Kultursensibilität sollen Patenschaften zwischen Kita, Schulen und Grundschule hergestellt werden.

Die Förderung der Partizipation, Wertschätzung und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler soll anhand von Wettbewerben (z.B. „schönes Klassenzimmer“) stattfinden. Außerdem soll die Selbstdisziplin von Schülerinnen und Schülern gefördert werden. Dies kann zum Beispiel anhand einer „Woche ohne Schimpfwörter“ passieren.

In jeder Berliner Schule soll es einen Handlungsleitfaden zur Förderung positiven Sozialverhaltens geben.

Schülerinnen und Schülern, die Diskriminierungserfahrungen haben, müssen in ihrer kultursensiblen Kompetenz vertrauenswürdige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern an Schulen finden.
Anti-Diskriminierungs-Trainings sollten nicht nur von Lehrerinnen und Lehrern wahrgenommen werden, sondern im Rahmen von Schulveranstaltungen auch von Schülerinnen und Schülern. Die heute Diskriminierten dürfen nicht zu Diskriminierenden von morgen werden.

Eine geeignete Maßnahme zur Vermeidung von Diskriminierungsgefahren kann die Einführung eines Mentoringprogramms sein, das positive Vorbilder präsentiert und im (Peer-to-Peer)-Dialog zu gelebter Individualität ermutigt.

Der Schüleraustausch z.B. mit den Herkunftsländern von Schülerinnen und Schülern bzw. Eltern kann nicht nur identitätsstärkend, sondern auch zu wertschätzender Anerkennung der Identität der Schülerinnen und Schüler führen.

Das Problem an „Problemschulen“ bzw. „Brennpunktschulen“ stellen nicht die Schülerinnen und Schüler dar. Gute Bildung muss für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig ihrer Herkunft oder Sprache, zugänglich sein.

Lehrende

Vielfalt muss in den Berliner Schulen auch in den Lehrerzimmern sichtbar werden. Sie müssen divers und diskriminierungsfrei werden. Niemand im Kollegium darf angehalten werden, die eigene sexuelle Identität gegenüber Schülerinnen und Schülern zu verschweigen.

Gerade Lehrerinnen und Lehrer mit Diversity-Kompetenz können für Schülerinnen und Schülern Vorbilder sein. Anti-Diskriminierungstrainings sollten für Lehrerinnen und Lehrer verpflichtend sein. Dies könnte anhand von Beistands-Schulungen („Bystander“-Workshops) oder auch anhand von Supervision und Reflexionsgruppen für Schulakteure zum Aufbau professioneller Diversity-, interkultureller und interreligiöser Kompetenz umgesetzt werden.

Im altersangemessenen Austausch müssen Verständnisschwierigkeiten überwunden werden. Fremdwörter müssen erklärt, Schimpfwörter und diskriminierende Redewendungen müssen als solche deklariert, problematisiert und so im Gebrauch zurückgedrängt werden. Nachfragen der Schülerinnen und Schülern müssen ernst genommen und gefördert werden. Gegebenenfalls ist hier die Einrichtung einer offenen Schülersprechstunden zu erwägen. Lehrerinnen und Lehrer müssen Interesse am Schülerfeedback zeigen und ein möglichst großes Vertrauensverhältnis aufbauen.

An vielen Brennpunktschulen unterrichten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, deren pädagogischen und didaktischen Kompetenzen noch nicht ausreichen. Gerade Schülerinnen und Schülern an diesen Schulen und Grundschülerinnen und Grundschüler müssen von gut ausgebildeten und engagierten Lehrerinnen und Lehrer unterrichtet werden. Deshalb muss die Zahl der unterrichtenden Quereinsteiger je Schule auf ein Maß geführt werden, das mit der erwünschten Qualitätssicherung vereinbar ist.

Damit angehende Lehrkräfte genug pädagogische und didaktische Kompetenzen erlernen, soll im Referendariat nicht nur an einer Schule unterrichtet werden. Stattdessen sollen Referendarinnen und Referendare mehrere Schulen besuchen, um unterschiedliche Schulformen bzw. Herausforderungen kennenzulernen.

An Berliner KiTas waren im 2019 rund 11 % der Beschäftigten männlich. Dieser Anteil betrug im Jahr 2014 noch 8,8 %. Wir begrüßen diese positive Entwicklung aber angesichts des wachsenden Bedarfs an KiTas, müssen mehr männliche Erzieher ausgebildet und eingestellt werden. In KiTas muss es eine gesunde Mischung nicht nur Kinder geben, sondern auch der KiTa-Leitung. Diese Vielfältigkeit muss auch im KiTA-Bereich und an den Grundschulen sichtbar sein.

Sozialisation und der Umgang mit Diversität findet an Schulen, auch schon in Grundschulen, statt. Damit kommt der Betreuung auch am Nachmittag, etwa in Kitas, offenen und gebundenen Ganztagsschulen besondere Bedeutung zu. Mehr Personal mit angemessener Bezahlung gerade im Unterricht und der Betreuung am Nachmittag sorgt dafür, dass die Schülerinnen und Schüler ein stabiles Angebot an Bezugs- und Vertrauenspersonen haben. Die so bei den Schulbeschäftigten gesicherte Kenntnis der Eigenheiten jeder Schülerin und jedes Schülers fördert die positive Sozialisation und hilft damit, soziale Konflikte zu vermeiden.

Lernpartner

Schülerinnen und Schüler, die Diskriminierungserfahrungen haben, müssen die Möglichkeit haben, sich vertrauensvoll an jemanden zu wenden. Diese Vertrauenspersonen sollten sowohl die Familie, das Jugendamt, die SIBUZ als auch die Lehrerinnen und Lehrer selbst sein. Präventions-Projekte wie eine Antidiskriminierungsstelle an Schulen sowie die bezirklichen schulpsychologischen Beratungszentren oder auch „Peer-to-Peer“ Projekte müssen stärker erweitert und finanziell unterstützt werden. Zur Sprachförderung soll es zum verstärkten Einsatz von Logopäden kommen.

Diversitätsmanagement muss unterstützt werden. Es sollen Elternsprecherinnen und -sprecher mit Diversitätsmerkmal (z.B. Migration) eingeführt werden. Eltern müssen im Umgang mit Vielfalt gefördert und geschult werden. Des Weiteren sollen Bildungskonferenzen mit außerschulischen Interessenträgern und Partnern stattfinden. Generell gilt, Berliner Schulen sollen außerschulische Aufklärungsprojekte stärker mit einbeziehen. Die Berliner Schulen sollen sich mit außerschulischen Bildungsorganisationen, Migrantenorganisationen, Kultur-Vereinen und Gemeinden, die als Anbieter von unterstützenden Leistungen wie Beratung, Nachhilfe, Sprachkurse für Eltern etc. stärker vernetzen.

Handlungsfelder

Lehrerausbildung

Feste, diskriminierungskritische Module sollen in die Refendariatsausbildung mit integriert werden. Außerdem soll es in diesem Bereich eine Stärkung der Didaktik geben. Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Vielfalt muss eine wichtige Kompetenz für alle Lehrerinnen und Lehrer sein. Auch bei Quereinsteigerninnen und Quereinsteiger muss darauf geachtet werden, dass diese Kompetenz erlangt wird.
Um Lehrerinnen und Lehrer kompetent fortzubilden und in Bezug zum Thema Diskriminierung an Schulen zu sensibilisieren soll es zukünftig verpflichtende Fortbildungs- und Sensibilisierungsangebote geben. Es soll eine kompetente Vermittlung sozialer Kompetenz und eine Ausbildung einer „Kultursensibilität“ stattfinden. Ein Augenmerk liegt hierbei auf der kulturellen Bildung und Sprachbildung. Anti-Bias-Trainings und Diversitätstrainings können hierbei helfen.

Die Berliner Hochschulen müssen ihrer Verantwortung und Vorbildfunktion als Orte umfassender Bildung verantwortungsbewusster Glieder der offenen Gesellschaft gerecht werden. Sie brauchen wirksame Antidiskriminierungsinstrumente und -strukturen.

Lehrinhalte/-mittel

Das Thema Vielfalt soll verbindlich in die Schulkultur verankert werden. Es reicht nicht, sich darauf zu verlassen, dass Vielfalt das „private Steckenpferd“ interessierter Lehrkräfte ist. Der Einsatz für Vielfalt ist eine Querschnittsaufgabe im Unterricht. Er muss in Fächern wie Ethik, Religion, Politische Weltkunde in allen Schulfächern problematisiert, vor allem aber in allen anderen Fächern bis hin zum Sport praktiziert werden. Dabei geht es darum, tradierte Rollenbilder zu hinterfragen, um beispielsweise mehr Schüler für den Lehrerberuf und mehr Schülerinnen für MINT-Berufe zu interessieren.
Vielfalt sollte außerdem in Lehrmitteln (Schulbücher, Medien und Arbeitspapiere) dargestellt werden. Dies könnte dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler Menschen unterschiedlicher (sozialer und ethnischer) Herkunft und geschlechtlicher Identität vorurteilsfrei begegnen sowie die Werte unterschiedlicher Kulturen kennenlernen und reflektieren. So wird die Resilienz aller Schüler trainiert, also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen und zu bewältigen. Das stärkt die psychische Kraft im Umgang mit menschlicher Vielfalt („Heterogenitätsmanagment“).
Dies ermöglicht ein diskriminierungsfreies Zusammenleben. Diversitätsmerkmale sollen nicht pathologisiert werden. Die Rolle sozialer Medien als Multiplikationsplattform zur (Anti-)Diskriminierung aber auch als Kommunikationsmittel insgesamt muss im Unterricht verankert sein.

Lehr- und Lernumfeld

Schule muss ein echter Integrationsort sein. Unsere Vision: Die Schülerinnen und Schüler kommen als Kinder mit unterschiedlicher Abstammung, Begabung, Identität, Prägung und Religion in die Schule und verlassen sie unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, religiösen Überzeugung, geschlechtlichen und sexuellen Identität als verantwortungs- und selbstbewusste Berlinerinnen und Berliner. Alle Bildungseinrichtungen müssen sich als „Chancen-Schulen“ statt „Problem-Schulen“. An Berliner Schulen muss eine Aufklärung über Beschwerdemöglichkeiten stattfinden, eventuell ist die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle anzudenken. Die Vielfaltförderung sollte an Berliner Schulen anhand eines kompetenten Antidiskriminierungsmanagement stattfinden. Des Weiteren sollen Bezirklichen Fachrunden mit den SIBUZ (Sozialpsychologisch und integrationspädagogische Beratungs- und Integrationszentren) zum Diskriminierungsschutz eingeführt werden.

Vielfalt sollte an Berliner Schulen sichtbar gemacht werden. Hierzu bieten sich zum Beispiel ein „Regenbogentag“ oder auch ein „Tag der besonderen Talente“ an. Des Weiteren sollte Vielfalt für Berliner Schülerinnen und Schüler zugänglich gemacht werden (z.B. Literatur zum Thema in den Leseecken).

Schule sollte ein Barriere- und Diskriminierungsfreier Ort sein. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Sanitäreinrichtungen.

In Zukunft sollten Schulinspektionsberichte nur die Stärken und Schwächen der Berliner Schulen vorurteilsfrei feststellen.

Die Anerkennungs-, Initiativ-, Motivationsfunktion für Vielfaltsaktivitäten liegt bei der Schulaufsicht. Dennoch sollte ein klares Signal der Politik erfolgen, dass Vielfalt an Berliner Schulen erwünscht ist, sie bereichert, verteidigt und wertgeschätzt wird.