Liberale Klimaschutzpolitik sichert langfristig Wohlstand auch in Deutschland

Ausgangssituation

Die derzeitige schwere Weltwirtschaftskrise und die damit zusammenhängenden kurzfris­tigen Probleme für die nationalen Volkswirtschaften dürfen nicht die Sicht davor verstellen, dass im Dezember 2009 auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen die entscheidenden Weichen für den langfristigen weltweiten Wohlstand gestellt werden.

Die ganz große Mehrheit der Klimawissenschaftler ist sich einig, dass der von der Mensch­heit mitverursachte drohende Klimawandel, wenn er nicht abgebremst wird, die wirtschaft­liche Entwicklung der Menschheit um ein vielfaches mehr schaden würde, als die derzeitige Wirtschaftskrise selbst im schlimmsten Falle schaden kann. Um den nicht mehr völlig zu verhindernden Klimawandel auf ein für die Weltwirtschaft noch halbwegs verträgliches Ausmaß zu begrenzen, ist die Reduzierung der von Menschen verursachten Emission von Treibhausgasen bis Mitte dieses Jahrhunderts auf die Hälfte des Niveaus von 1990 erforder­lich. Das Gutachten der Wirtschaftswissenschaftler um Prof. Stern (Stern Report) hat nach­vollziehbar dargelegt, das die Erreichung dieses Zieles zwar mit hohen Kosten verbunden sein wird, diese Kosten aber nur ein Bruchteil der Schäden ausmachen würden, die bei unterlassener Emissionsbegrenzung entstünden.

Zu Recht haben sich daher Deutschland und die Europäische Union verpflichtet, ihren Beitrag zur Erreichung dieses Zieles zu leisten. Die Selbstverpflichtung der EU unabhängig von einem internationalem Abkommen die eigenen Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um mindestens 20% gegenüber 1990 zu senken, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Aber erst ein erfolgreicher Abschluss der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen mit einem Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll, dass die weltweit verbindliche Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen auf den o.a. 50%-Reduktionspfad beinhaltet, würde die richtigen Weichenstellungen sicherstellen.

Unter Berücksichtigung, dass jedem Menschen das gleiche Recht auf Nutzung der Erdatmosphäre zusteht, würde dies für uns in Deutschland bedeuten, bis zum Jahr 2050 entweder unsere Treibhausgas-Emissionen um ca. 80% gegenüber 1990 bzw. auf ca. 25% des heutigen Emissionsniveaus zu senken oder eine darüber hinaus gehende Menge an Emissionsrechte zuzukaufen.

Für eine solche ambitionierte Klimaschutzpolitik wird aber die Unterstützung der Bürger nicht nur in Deutschland sondern weltweit nur dann zu erreichen und dauerhaft zu erhalten sein, wenn die Politik glaubhaft darstellen kann, dass dabei die Belastungen der Weltwirtschaft und damit die unvermeidbaren globalen wie nationalen Wohlstandsverluste so gering wie irgend möglich gehalten werden. Dieses doppelte Ziel, einerseits die globalen Treibhausgas-Emissionen auf das erforderliche Maß wirksam zu reduzieren und zugleich die damit ver­bundenen globalen Kosten zu minimieren, kann nur durch ein globales System handelbarer Emissionsrechte erreicht werden.

Derzeitiges EU-System handelbarer Emissionsrechte

Die EU hat bereits seit 2005 für das wichtigste Treibhausgas CO₂ ein solches System eingeführt, allerdings begrenzt auf die Energiewirtschaft und große industrielle Emittenten und somit nur für etwa die Hälfte der EU-weiten CO₂-Emissionen. Zudem wurde das System wenig effizient und unnötig bürokratisch ausgestaltet und in der ersten Periode von 2005 bis 2007 zwei schwere strukturelle Fehler gemacht. Erstens wurde auf Druck der Industrielobby von den nationalen Regierungen EU-weit zusammen 6% Emissionsrechte (= ca. 360 Mio. t CO₂) mehr ausgegeben, als von den betroffenen Anlagen überhaupt emittiert wurden. Und zweitens wurden diese Rechte auch noch fast vollständig an diese Emittenten unter Berücksichtigung diverser nationaler und branchenbezogener Sonderinteressen verschenkt.

Für die zweite Verpflichtungsperiode von 2008-2012 sind zwar einige Verbesserungen durchgesetzt wurden. So wurden von der EU-Kommission die von den nationalen Regierungen beabsichtigten Mengen an zuzuteilenden Emissionsrechten um ca. 10% gekürzt. Knapp 5% (in Deutschland 10%) dieser Rechte werden nicht mehr kostenlos zugeteilt, sondern versteigert oder verkauft. Die Systemgrenzen wurden aber nicht erweitert und die bürokratische Ausgestaltung nicht geändert.

Für die dritte Verpflichtungsperiode (2013-2020) sind im Dezember 2008 von der EU in einem umfangreichen Gesetzespaket erste grundlegende Änderungen und Erweiterungen beschlossen worden. Die nationalen Budgets an Emissionsrechten werden durch ein gemeinsames EU-Budget ersetzt, das kontinuierlich jährlich bis 2020 auf 20% gegenüber der 1. Periode reduziert wird. Der Versteigerungsanteil wird jährlich erhöht beginnend mit 20% in 2013 bis auf 70% in 2020. Die verbleibende kostenlose Zuteilung soll den Anlagen nach EU-einheitlichen Benchmarks zugeteilt werden. Die Systemgrenzen werden aber nur um den Flugverkehr erweitert, die anderen Verkehrsbereiche (Boden- und Schiffsverkehr) sowie der gesamte Wärmemarkt bleiben ausgenommen. Zudem sind in den Schlussverhandlungen von EU-Rat und EU-Parlament zahlreiche Ausnahmeregelungen aufgenommen worden, die selbst für Experten kaum zu überschauen sind. Zu 15 Aspekten müssen zudem die Details erst noch von der Kommission erarbeitet und im intransparenten Komitologieverfahren beschlossen werden. Für den Flugverkehr, der nicht vom Kyoto-Protokoll erfasst ist, werden weitgehend eigene erneut sehr bürokratische Strukturen eingeführt. Schließlich sind die gesamten Regelungen im Lichte des angestrebten UN-Abkommens Ende 2009 in Kopenhagen und dessen Regelungsinhalte zu überprüfen und anzupassen.

Diese schrittweise Verbesserung des EU-Systems ist zwar tendenziell zu begrüßen, aber angesichts der o.a. Aufgabenstellung ist das EU-System immer noch viel zu ineffizient und unnötig kostenträchtig. Die notwendige Anpassung des EU-Regelwerkes an das UN-Abkommen und bei der Verknüpfung mit Systemen anderer Staaten muss daher zu weiteren grundsätzlichen Verbesserungen genutzt werden. Dazu gehört insbesondere, die Ausnahmen von der Versteigerung zu beseitigen, schneller als bisher vorgesehen zur Vollversteigerung überzugehen und die Verkehrssektoren so schnell wie möglich einzubeziehen.

Verhandlungsziele für UN-Klimakonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen

Damit die weltweiten Emissionen an Treibhausgase wirksam auf das erforderliche Ausmaß reduziert werden, reicht es nicht aus, dass nur die traditionellen Industriestaaten in dem Kyoto-Nachfolgeabkommen quantitative Reduktionspflichten übernehmen, die deutlich über die zaghaften Reduktionen im Kyoto-Protokoll hinausgehen. Es müssen alle Staaten, insbesondere die großen Entwicklungsländer wie China, Indien, Indonesien und Brasilien eingebunden werden. China emittiert schon heute genauso viel oder vielleicht schon mehr Treibhausgase pro Jahr als die USA und pro Kopf mehr als der Weltdurchschnitt. Langfristig müssen alle Staaten den gleichen Regeln eines globalen Systems handelbarer Emissionsrechte unterliegen, das nach folgenden Grundregeln gestaltet werden sollte:

  1. Es müssen weltweit sämtliche Treibhausgase und sämtliche Emittenten sowie Speicher von Treibhausgasen („Senken“ wie unterirdische Speicher oder Wälder) in dieses System einbezogen werden.
  2. Sämtliche Emissionsrechte müssen letztlich durch eine UN-Organisation global versteigert werden.
  3. Die Erlöse aus den Versteigerungen sollten den Staaten entsprechend ihren Bevölkerungszahlen zugewiesen werden. Die Staaten sollten dementsprechend diese Mittel direkt ihren Bürgern pro Kopf zu Gute kommen lassen.
  4. Vor entsprechender Ausschüttung sollten mit einem Teil der den Versteigerungs­erlösen Anpassungsmaßnahmen (Deichbau, Küsten- und Hochwasserschutz) in vom Klimawandel besonders hart betroffenen und relativ armen Staaten, wie den kleinen Inselstaaten und Ländern in subsaharischen Afrika, sowie Schutz- und Wieder­aufforstungsprojekte in den tropischen Regenwäldern finanziert werden.
  5. Staaten, die sich diesem System verweigern, sollten mit WHO-konformen Sanktionen belegt werden.

Ein solches globales System ist bis spätestens 2030 einzuführen.

Bis dahin sind zunächst vor allem die traditionellen Industriestaaten gefordert, ihre nationalen oder regionalen Systeme zu einem internationalen System zu verbinden. D.h. das EU-System ist mit den zahlreichen in Vorbereitung befindlichen Systemen möglichst bereits ab 2013 zu koppeln. Zur Zeit werden nationale Systeme handelbarer Emissionsrechte nicht nur in den USA durch den neuen Präsidenten Obama und seiner neuen Administration, sondern auch in Australien, Kanada, Japan, Neuseeland sowie in einigen neuen Industrieländern, wie Süd-Korea, Taiwan und Mexiko, vorbereitet. Selbst in China wird bereits über Teilsysteme diskutiert. Da bei diesen Planungen bzw. zum Teil bereits Gesetzesvorlagen derzeit meistens auch der Bodenverkehr einbezogen und zumindest in den USA auch ein erheblicher Anteil der Versteigerungserlöse direkt an die Bürger ausgeschüttet werden soll, sollte deren Verknüpfung mit dem EU-System unbedingt genutzt werden, um das EU-System entsprechend zu verbessern.

Die anderen Entwicklungs- und Schwellenländer sollten übergangsweise weiterhin über die projektbezogenen Klimaschutzmechanismen („Clean Development Mechanism“ CDM), „Joint-Implementation-Projekte) einbezogen werden. Insbesondere der CDM ist aber gegenüber den Regelungen im Kyoto-Protokoll so zu reformieren, dass die ökologische Integrität („Zusätzlichkeit“ der Projekte) besser sichergestellt und die Projekte einen direkten eigenen Beitrag zur globalen Emissionssenkung leisten (Diskontierung der Emissionsgut­schriften entsprechend dem wirtschaftlichen Entwicklungstand und den Pro-Kopf-Emissionen der Projektstandortländer). Schrittweise müssen aber auch diese Staaten in das internationale System handelbarer Emissionsrechte einbezogen werden.

FDP und Regierungsbeteilung im Herbst 2009

Die FDP wird nach erfolgreicher Bundestagswahl in den Koalitionsverhandlungen darauf dringen, dass die neue Bundesregierung auf eine entsprechende Klimaschutzpolitik verpflichtet wird und sich dafür engagiert einsetzt sowohl hinsichtlich der Verhandlungen auf der UN-Klimaschutzkonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen und entsprechenden Folgekonferenzen als auch hinsichtlich einer Überarbeitung und Verbesserung des EU-Systems handelbarer Emissionsrechte für die Periode ab 2013.