Mehrwert der elektronischen Patientenakte steigern

I. Wir Freie Demokraten stellen fest:

Die digitale Transformation schreitet international voran. Die Digitalisierung ist jedoch kein Selbstzweck. Wir sind davon überzeugt, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein großes Potential für den Abbau von Informationsbarrieren und den Austausch von Informationen bietet und Prozesse in der Gesundheitsversorgung und Pflege für die Patientinnen und Patienten sowie die im Gesundheitswesen Tätigen verbessern kann.

Ein wesentlicher Baustein für eine nutzenbringende Digitalisierung ist eine funktionierende, sichere, stabile und anwenderfreundliche elektronische Patientenakte (ePA). Eine solche ePA kann die Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten weiter steigern, aber auch den Austausch von Gesundheitsinformationen unterstützt durch die Patientinnen und Patienten zwischen ihren Behandelnden und weiteren in die Patientenbehandlung einbezogenen Gesundheitsberufen verbessern. So können durch schnell verfügbare, gesicherte Informationen über den Gesundheitszustand nicht nur im Notfall Gefahren für die Patientinnen und Patienten besser abgewendet werden. Mit einer teilautomatisierten Verarbeitung durch herkömmliche Algorithmen und KI können Entscheidungen von Ärztinnen und Ärzten und anderen Heilberuflern unterstützt und so bessere Ergebnisse in der individuellen Patientenversorgung erreicht werden.

Seit der gesetzlichen Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Jahr 2004 bleibt die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland hinter diesen Potenzialen zurück. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland ist insgesamt schwerfällig und wird nicht nur von den im Gesundheitswesen Tätigen vor allem mit persönlichem Aufwand, Mehrkosten und einem Mehr an Bürokratie verbunden. Ein wirklicher Mehrnutzen aus der Digitalisierung ist bis heute für die im Gesundheitswesen Tätigen und für die Patientinnen und Patienten kaum erkennbar.

Seit dem 1. Januar 2021 haben die gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten einen Anspruch auf eine ePA ihrer Krankenkassen. Diese ePA ist jedoch heute nicht mehr als ein Speicher für digitalisierte Dokumente, der bestenfalls von den Patienten geführte Papierordner zu ihren Behandlungen ersetzen kann. Bereits die Einrichtung der ePA im Opt-In-Verfahren ist für die Patientinnen und Patienten mit Zugangshürden und viel Bürokratie gegenüber den Krankenkassen verbunden. Die Nutzung der ePA ist selten weniger kompliziert und gerade für wenig digital affine Patientinnen und Patienten mit großen Herausforderungen verbunden. So hat eine ePA heute nur ein verschwindend geringer Teil der gesetzlich Versicherten Patientinnen und Patienten eingerichtet. Von noch weniger Patientinnen und Patienten wird diese genutzt. Auch auf Seiten der Ärztinnen und Ärzte wird die ePA nur selten in die Behandlungsprozesse eingebunden.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens muss anwenderzentriert gestaltet und auf ihren Nutzen für die Patientinnen und Patienten und die im Gesundheitswesen Tätigen ausgerichtet werden.

Als wesentlicher Baustein für eine gelingende Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland wird eine ePA benötigt, die leicht eingerichtet werden kann, funktioniert, stabil läuft, sicher und für die Patientinnen und Patienten sowie die im Gesundheitswesen Tätigen leicht zu bedienen ist.

II. Wir Freie Demokraten begrüßen die aktuelle Initiative der Bundesregierung mit dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung (Digital-Gesetz – DigiG) für eine ePA 2.0 grundsätzlich als richtigen Schritt und fordern:

Einrichtungshürden für die ePA abbauen

Um die Zugangshürden und die Bürokratie bei der Einrichtung abzubauen soll die ePA zukünftig für jeden gesetzlich Versicherten von den Krankenkassen grundsätzlich automatisch eingerichtet werden, wenn der gesetzlich Versicherte nicht widerspricht (Opt-Out-Verfahren für die Einrichtung der ePA).

Datennutzung der ePA-Daten für Behandlungen ermöglichen

Die Daten aus der ePA sollen den Behandelnden und Weiterbehandelnden grundsätzlich im Rahmen einer laufenden Behandlung zur Verfügung stehen, solange der gesetzlich Versicherte nicht ausdrücklich widerspricht (Opt-Out-Verfahren für die Primärnutzung).

Datenzugriff auf die ePA in der Notfallversorgung erleichtern

Die Daten aus der ePA sollen Notärztinnen und Notärzten sowie Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern im Rahmen der Notfallversorgung bereits auf der Fahrt zu einem Notfall zur Verfügung stehen, ohne dass es der eGK oder der sog. digitalen Identität des Versicherten für den Zugriff bedarf, um eine qualitativ hochwertige Notfallversorgung vorbereiten und Gefahren für Leib und Leben der Notfallpatientin/des Notfallpatienten abwenden zu können.

Technische Hürden der ePA bei der Datenübertragung und Datennutzung abbauen

Die Daten in der ePA müssen zukünftig interoperabel sein, damit diese beim Wechsel der ePA einfach übertragen und durch andere Informationssysteme verstanden und damit ohne weiteres elektronisch verarbeitet werden können. Zudem müssen auch die Daten der Informationssysteme der Ärzte (AIS), Krankenhäuser (KIS) sowie der anderen Heilberufe die Interoperabilität ihrer Daten gewährleisten, um eine aufwandsarme, (teil-) automatisierte Übertragung von Daten auf die ePA sicherzustellen, die weiterhin vergütet werden soll. Bei der Dateninteroperabilität soll auf Standards gesetzt werden, die auch im europäischen Kontext die Interoperabilität gewährleisten.

ePA-Datenverwaltung für Patienten intuitiv gestalten

Die Verwaltung der ePA für die Patientinnen und Patienten muss im höchsten Maße auf Benutzerfreundlichkeit ausgerichtet werden. Die Patientinnen und Patienten sollen ihre Daten intuitiv verwalten können. Auch wenig digital affine Versicherte müssen die Möglichkeit haben, Datenfreigaben und Widersprüche in der Anwendung zur Verwaltung ihrer ePA zu erklären und auf ihre Daten zugreifen zu können.

Unterstützung der Versicherten durch Krankenkassen sicherstellen

Damit auch wenig digitalaffine Versicherte ihre ePA einrichten und nutzen können, sehen wir es als Aufgabe der Krankenkassen, ihren Versicherten zu assistieren, wo diese Unterstützung bei Einrichtung und Nutzung ihrer ePA benötigen, damit die Ärztinnen und Ärzte und andere Angehörige der Heilberufe vor allem ihrer Kerntätigkeit, der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung, nachgehen können.

Transparenz bei der Nutzung der ePA-Daten gewährleisten

Die Nutzung der Daten aus der ePA ist automatisiert und revisionssicher zu protokollieren. Die Patientinnen und Patienten müssen einfach in ihrer ePA nachvollziehen können, wer, wann und in welchem Umfang auf ihre Daten in der ePA zugegriffen hat. Für die Patientinnen und Patienten müssen der Inhalt ihrer ePA und die Zugriffe auf ihre ePA jederzeit transparent sein.

Organspendeausweis in die ePA überführen

Ein elektronischer Organspendeausweis soll Teil der ePA werden, damit jede und jeder die Möglichkeit bekommt, ihre/seine Bereitschaft Organe zu spenden, freiwillig in der ePA niederlegen und verwalten zu können.

Patientenverfügung in der ePA ermöglichen

Um die Selbstbestimmung jeder Einzelnen und jedes Einzelnen in Bezug auf lebenserhaltende Behandlungsmaßnahmen, wie beispielsweise künstlicher Beatmung, sicherzustellen, soll es für die Versicherten die Möglichkeit geben, ihre individuellen Patientenverfügungen freiwillig in ihrer ePA niederzulegen, um so den Behandelnden Transparenz über die persönlichen Entscheidungen jeder einzelnen Patientin und jedes einzelnen Patienten zu lebenserhaltenden, intensivmedizinischen Maßnahmen zu verschaffen.

ePA-Daten für die Forschung bereitstellen

Die gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten sollen die Möglichkeit haben, ihre Daten einfach und sicher für Forschungsvorhaben in anonymisierter oder pseudonymisierter Form zur Verfügung stellen zu können. Die Patientinnen und Patienten sollen zugleich die Möglichkeit erhalten, über ihnen persönlich nutzende Forschungsergebnisse, beispielsweise zur Behandlung einer bei ihnen vorliegenden seltenen Erkrankung, informiert werden zu können.