Nachhaltige und krisensichere Energie für Berlin

Deutschland befindet sich infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in einer historischen Energiekrise. Mit der Laufzeitverlängerung der verbliebenen Kernkraftwerke und der Erschließung neuer Versorgungswege für Gaslieferungen hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass die düstersten Szenarien für unser Land nicht eingetreten sind. Dennoch sind die Folgen einer verfehlten Energie- und Außenpolitik der letzten Jahre, in denen sich Deutschland in eine gefährliche Abhängigkeit von Russland begeben hat, spürbar – auch für Berlin. Berlin ist vor allem bei der Wärmeversorgung von Gaslieferungen abhängig. Von 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin werden gut 37 % mit Fernwärme und 35 % direkt mit Erdgas beheizt. Der Energiemix zur Erzeugung der Fernwärme besteht zu 70 % aus Erdgas. Ausgerechnet in dieser Situation will der rot-grün-rote Senat das Fernwärmegeschäft von Vattenfall und deren GASAG-Anteile kaufen. Wir Freien Demokraten lehnen einen Kauf durch das Land Berlin ab. Ein milliardenschwerer Kauf wäre weder ein Beitrag zu einer zukunftssicheren Wärmeversorgung Berlins noch haushaltspolitisch verantwortlich. Stattdessen würde das Land Berlin in ein teures Geschäft mit hohen Investitionskosten und wenig Zukunft einsteigen. Unterdessen kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien in Berlin unter Rot-Grün-Rot nur schleppend voran. Berlin nutzt seine Potenziale zum Ausbau neuer Energien und innovativer Lösungen insbesondere zur Wärmeversorgung nicht. Zu lange Genehmigungsverfahren mit zunehmend unsicherem Ausgang, ein massiver Antragsstau in den Behörden und die zu langsame Modernisierung des Stromverteilnetzes mit dem Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur bremsen den Weg hin zu einer zukunftssicheren Energieversorgung aus. Die Energiepolitik der Freien Demokraten setzt auf folgende Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden könnten:

  1. Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Energieinfrastruktur: Die Beschleunigung ist dringlicher denn je. Das betrifft den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Energiespeicher und die Modernisierung der Energienetze. Der Senat muss die Planung und Genehmigung von Anlagen priorisieren, um deren notwendigen Ausbau zu beschleunigen. Beispielsweise könnten Potentialflächen für Photovoltaik-Anlagen identifiziert und große Flächen vorrangig ausgebaut werden, etwa über Parkplätzen, entlang von Verkehrsachsen oder Lärmschutzwänden. Zur Nutzung überschüssiger erneuerbarer Energie ist eine weitere Power- to-Heat-Anlage inklusive Wärmespeicher im Osten der Stadt wie am Spandauer Standort Reuter-West sinnvoll.
  2. Stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien zur Wärmeversorgung: Das Berliner Fernwärmenetz muss beschleunigt auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Bei nahezu allen technischen Prozessen entsteht Abwärme. Trotzdem wird anfallende Abwärme noch nicht konsequent genug genutzt. Ob Abwärme von Abwässern, industriellen Produktions- und Verarbeitungsprozessen oder auch Rechenzentren – bis dato bleibt dieses Potential weitgehend ungenutzt, statt zum Beispiel für Heizung oder Warmwasser eingesetzt zu werden. Mit einer nachhaltigen Quartiersentwicklung wollen wir das etwa bei der Ansiedlung neuer Rechenzentren und Serverfarmen zukünftig ändern und die Energie der Abwärme optimal ausschöpfen. Zudem müssen natürliche Wärmequellen in mittleren und tiefen Schichten erschlossen werden. Die Potenziale der Erdwärme (Geothermie) für eine verlässliche Wärmegewinnung müssen stärker untersucht werden mit dem Ziel, diese in Berlin stärker als weitere Säule der Energie- und Wärmeversorgung zu etablieren. Wenn Biomasse nachhaltig beschafft wird, kann auch sie einen wichtigen Beitrag zur Wärmeversorgung leisten.
  3. Gesamtstrategie der Metropolregion zum Ausbau der erneuerbaren Energien: Wir brauchen eine gemeinsame Strategie für die Metropolregion Berlin-Brandenburg zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sowie zum Ausbau von erneuerbaren Energien und Speicherkapazitäten. Der bundesgesetzlich vorgeschriebene Ausbau der Windenergie kann nur in einem gemeinsamen Konzept mit Brandenburg erfolgen, da in Berlin die erforderlichen Flächen fehlen. Wir streben einen Staatsvertrag mit dem Land Brandenburg an, der die gesetzlich maximal zulässige Übertragung der Berliner Flächenbeitragswerte für Windenergie (75 % der Berliner Vorgabe von 0,5 % der Landesfläche) auf Brandenburg vorsieht und diese Vorgaben in der gemeinsamen Landesplanung verankert. Der gleichzeitige Aufbau von Speicherkapazitäten ist aufgrund der Unbeständigkeit der erneuerbaren Energiequellen notwendig.
  4. Beschleunigung der Inbetriebsetzung von Photovoltaikanlagen: Beim Anschluss von Photovoltaikanlagen hat sich die gerade verstaatlichte landeseigene Stromnetz Berlin GmbH als Flaschenhals bei der Inbetriebsetzung herausgestellt. Um die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, sollen Fachbetriebe für die Inbetriebsetzung von Solaranlagen schnell und unbürokratisch zertifiziert werden. Wenn diese Fachbetriebe für die Stromnetz Berlin GmbH die Inbetriebnahme vornehmen können, kann der Antragsstau schnell abgearbeitet werden.
  5. Kleinwindanlagen auf Gebäuden ermöglichen: Windenergie kann nicht nur mit Großanlagen im ländlichen Raum erzeugt werden. Mit Kleinwindanlagen kann Windenergie auch in urbanen Räumen genutzt werden. Bisher findet diese Möglichkeit keinen Einsatz auf Berliner Dächern. Berlin hat mit seinen zahlreichen Hochhäusern das dafür notwendige Potenzial. Auch in Gewerbegebieten können Kleinwindanlagen zusätzlich Strom erzeugen. Wir wollen den genehmigungsrechtlichen Rahmen schaffen, damit das in Zukunft möglich und Berlin Vorreiter bei der urbanen Windenergie wird.
  6. Verantwortung in der Gebäudesanierung wahrnehmen: Das Land Berlin muss bei der Nutzung der erneuerbaren Energien und der energetischen Sanierung bei den eigenen öffentlichen Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen. Berlin ist Eigentümer zahlreicher Gebäude in der gesamten Stadt. Der Wärmeverbrauch dieser Liegenschaften betrug im Jahr 2019 rund 1,2 Terawattstunden. Der hohe Energieverbrauch ist nicht zuletzt Folge der jahrzehntelangen Vernachlässigung der Substanz der Gebäude unter Rot-Grün-Rot und den Vorgängerregierungen. Es besteht ein massiver Sanierungsstau, der nun mit höchster Priorität aufgelöst werden muss, um Gebäude mit moderner Technik und Wärmedämmung energieeffizienter zu machen. Die Blockaden der Bezirke bei der energetischen Gebäudesanierung in Milieuschutzgebieten müssen beseitigt werden. Eigentümerinnen und Eigentümern soll es künftig freigestellt sein, bereits heute höhere Standards bei der Energieeffizienz des Gebäudebestands zu erfüllen.
  7. Intelligente Energiesteuerung – Smart Lighting: Der Weg zu einer echten „Smart City“ ist in Berlin noch weit, besonders im Bereich der intelligenten Energiesteuerung („Smart Lighting“). So funktioniert das An- und Ausschalten der nächtlichen Beleuchtung von Denkmalen in Berlin nicht etwa digital. Stattdessen fuhren in diesem Herbst drei Abfahrkolonnen einer Elektrofachfirma zum Ausschalten durch die Stadt und klemmten täglich 100 bis 120 Beleuchtungen manuell ab. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung grotesk. Auch sind in vielen Stadtteilen Berlins noch immer Gaslaternen im Einsatz, die teilweise mangels Abschaltmöglichkeit im 24-Stunden-Dauerbetrieb laufen. Wir fordern eine intelligente Lichtsteuerung mindestens für Denkmale, konsequenterweise bei zeitgleicher Umrüstung auf LED-Leuchtmittel. Die öffentliche Beleuchtung muss im Rahmen eines Investitionsbeschleunigungsprogramms auch insgesamt umgehend auf LED umgerüstet werden, um Helligkeit und Stromverbrauch zu optimieren.
  8. Mini-Solaranlagen auf Terrasse und Balkon unbürokratisch ermöglichen: Nicht nur Eigentümerinnen und Eigentümer, sondern auch Mieterinnen und Mieter können auf Balkonen und Terrassen Strom für den Eigenbedarf erzeugen. Vor allem in einer von Mietern geprägten Stadt wie Berlin sind Stecker-Solarsysteme attraktiv, denn sie können ohne großen Aufwand angebracht und gewartet werden. Berlin sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften einen unbürokratischen Genehmigungsprozess anbieten, der die Einrichtung von Stecker-Solargeräten erleichtert. Dazu sollen die landeseigenen Wohnungsgesellschaften ihren Mietern ein Angebot für die Beschaffung und Montage optisch und technisch abgestimmter Anlagen unterbreiten. Begleitend muss die Stromnetz Berlin GmbH auch hier den Netzausbau forcieren und das bestehende Stromnetz weiter ertüchtigen.