Umgang mit Restitutionsfragen von Kulturgütern

Kunst und Kultur sind gemeinschaftsbildend. Die in einer Zeit und einer Gesellschaft geschaffenen Kunstschätze und Kulturgüter sind Ausdruck ihrer Identität. Im Zuge der Kolonialisierung sind solche identitätsstiftenden Kulturgüter aus den kolonisierten Gebieten entnommen worden. Die Recherche und mögliche Rückgabe geraubter Kunstschätze und Kulturgüter ist nur ein kleiner Schritt, um das von den europäischen Kolonialmächten verursachte Unrecht aufzuarbeiten. Dies schafft Vertrauen und legt eine Grundlage für langfristige außenpolitische Partnerschaften auf Augenhöhe.

Wir Freien Demokraten setzen uns ein für einen offenen und kritischen Diskurs des (post-)kolonialen Erbes. Deutsche Museen müssen bei der Provenienzforschung zu belasteten Objekten unterstützt und deren Ergebnisse öffentlich gemacht werden. Vorbild hierfür kann das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste sein. Sofern dies von den Herkunftsländern und -gemeinschaften gewünscht wird, ist koloniale Raubkunst auf rechtsstaatlicher Basis und aufgrund historisch begründeter Einschätzungen zurückzugeben. Eine Rückgabe ist nur auf Grundlage klarer zwischenstaatlicher Verabredungen über die zukünftigen Eigentümer, Schutzmaßnahmen (Depots und Ausstellungsräume), Unveräußerlichkeit usw. an Staaten mit gefestigter Demokratie und rechtsstaatlicher Ordnung möglich. Wenn durch die Restitution ethnische Auseinandersetzungen entstehen könnten, ist von einer Rückerstattung abzusehen. Die Überprüfung soll durch ein Gremium ähnlich dem Ethikrat stattfinden.

Museen müssen die Möglichkeit bekommen, einen Teil ihrer Sammlung zu bewahren. Auch in Europa sollte es weiterhin Museen geben, die außereuropäische Kulturen zeigen. Verzicht auf Rückgabe seitens der Herkunftsländer, Dauerleihverträge und Rotation müssen möglich sein. Als Gegenleistung kann Zusammenarbeit bei wissenschaftlicher Aufarbeitung, Restaurierung und Pflege stehen.

Eine weitere Option soll der Tausch, Dauerleihgabe oder Rotation von nichteuropäischen Kulturgütern und Kunstwerken gegen europäische Kulturgüter und Kunstwerke sein. So kann eine Auseinandersetzung mit der jeweils anderen Kultur stattfinden. Römische Götterbilder, gotische Madonnen, barockes Porzellan oder deutsche Expressionisten aus den Depots europäischer Museen werden auf diesem Weg in Museen der ehemals kolonisierten Welt gezeigt.

Innerhalb der EU sollte die Debatte über die Rückgabe von Raubkunst aus der Zeit vor 1933 beendet werden. Die EU sollte den Austausch und Erwerb von Kunst aus legalen Ausgrabungen ermöglichen. Das System von Exportverboten auf der Grundlage sogenannter herausragender Bedeutung für die kulturelle Identität sollte innerhalb der EU abgeschafft werden. Wenn eines dieser Kunstwerke auf dem europäischen Kunstmarkt angeboten wird, soll ein fairer Wettbewerb zwischen europäischen Museen und privaten Kunstsammlern möglich sein. Hierdurch könnte der Austausch von Kunst und historischem Wissen innerhalb Europas wieder entstehen und nachvollzogen werden.