Wissenschaft in Freiheit und Verantwortung (Berliner Freiheit 2004)

Der Wissenschaftsstandort Berlin muss sich von einer bloßen Zusammenballung von Institutionen zu einem echten ökonomischen Standortvorteil für unsere Stadt entwickeln. Der Hochschulbereich in Berlin und deutschlandweit muss konsequent nach dem Subsidiaritätsprinzip umgestaltet werden. Auf der Bundesebene ist die Finanzierung der Grundlagenforschung zu regeln. Auf der Ebene der Länder müssen vernünftige Allokationsmechanismen für den Hauptteil der Finanzierung von Hochschulen existieren. Der eigentliche Gestaltungsspielraum muss auf die Ebene der Hochschulen oder Fakultäten als Ort der Forschung und Anbieter der Studiengänge verlagert werden. Hier muss Wettbewerb zwischen den einzelnen Institutionen herrschen und zugleich Kooperation bei der Abstimmung gemeinsamer Aufgaben.

Die Finanzierung der Hochschulen soll zukünftig auf vier Säulen basieren. Zunächst bekommt eine Hochschule für ihre Leistungen in Forschung und Lehre über Hochschulverträge und Bildungsgutscheine einen jährlichen Zuschuss aus Landesmitteln. Darüber hinaus werben die Wissenschaftler Drittmittel von Forschungsförderinstitutionen des Bundes, Stiftungen und Unternehmen für einzelne Forschungsprojekte ein. Für die Lehre erhält die Hochschule von ihren Studierenden zusätzlich Studienentgelte, deren Höhe abhängig von der Wettbewerbssituation eines jeden Studienganges von den Hochschulen festgelegt wird und die über staatlich garantierte Bildungsdarlehen finanziert und einkommensabhängig zurückgezahlt werden können. Aus den Erträgen eines möglicherweise eingeworbenen Stiftungskapitals und weiteren Spenden können ebenfalls zusätzliche Aktivitäten in Forschung und Lehre finanziert werden.

Die Studierenden bewerben sich an einer Hochschule, und diese kann über deren Zulassung selbst entscheiden. Allerdings hängt ihre staatliche Finanzierung wesentlich von der Anzahl der Studierenden ab, sodass ein Anreiz besteht, mit attraktiven Studiengängen möglichst viele Studierende aufzunehmen. Zumindest eine Universität in Berlin muss vom Ballast der Pensionslasten befreit und aus der staatlichen Trägerschaft in private Hände entlassen werden. Diese soll dann als Stiftungsuniversität geführt werden. Über einen langfristig laufenden Hochschulvertrag würden ihr weiterhin eine Grundfinanzierung für die Forschung und eine nachfrageabhängige Finanzierung der Lehre durch das Land garantiert werden. Hinzu käme das Recht, für die eigenen Leistungen Studienentgelte von den Studierenden erheben zu dürfen mit der Auflage, zu deren Finanzierung Eltern unabhängige Darlehen anbieten zu müssen.

Unser Ziel: Der Wissenschaftsstandort wird zum Standortvorteil für Berlin

Berlin ist als Wissenschaftsstandort in Deutschland einmalig. Nirgendwo sonst findet man eine derartige Agglomeration von Universitäten, Fach- und Kunsthochschulen, dem größten Hochschulklinikum Europas sowie vielfältigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Wenn es um ein nachhaltiges Wachstum mit mehr Arbeitsplätzen und steigenden Realeinkommen geht, bieten in Berlin wenige Bereiche Grund zur Hoffnung. Neben der Hauptstadtfunktion, der Kultur- und Medienlandschaft birgt vor allem der Wissenschaftsstandort das Potenzial, humankapitalintensive Unternehmen nach Berlin zu locken oder den Humus für entsprechende Neugründungen zu bilden.

Der Wissenschaftsstandort Berlin muss sich von einer bloßen Zusammenballung von Institutionen zu einem echten Standortvorteil für unsere Stadt entwickeln. Aus Mangel an industrieller Wirtschaft und aufgrund des vorhandenen Potenzials von überwiegend bundesfinanzierten Forschungsinstitutionen, drei großen Universitäten, sieben Fachhochschulen, der Universität der Künste und drei weiterer Kunsthochschulen macht es Sinn, auf den Wissenschaftsstandort als Wachstumsmotor zu setzen. Auch die privaten Hochschulprojekte, wie z.B. die Europäische Wirtschaftshochschule Berlin (ESCP-EAP), das European College of Liberal Arts (ECLA), die Hertie School of Governance oder die European School of Management and Technology (ESMT), spielen hierbei eine wichtige Rolle. Im Umfeld der Hochschulklinika, in Adlershof oder Buch kann eine solche Dynamik entstehen, wenn man den staatlichen Einrichtungen hilft, sich stärker unternehmerisch zu verhalten und Investoren eine Ansiedlung einfach macht. Um aber Wissenschaft in Wirtschaftswachstum umsetzen zu können, zählt nicht allein die pure Masse an Studienplätzen und Wissenschaftlern, sondern auch die Qualität der Leistung der Wissenschaftseinrichtungen und ihres Angebots.

Die Lage: Berlins Wissenschaftseinrichtungen – überreguliert und unterfinanziert

Dieser einmalige Standortvorteil steht wegen der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte des Landes in den letzten Jahren immer stärker zur Disposition. In Sonntagsreden wird der Wissenschaftsstandort gerne als Standortvorteil betont, in der konkreten Politik durch die Setzung falscher Rahmenbedingungen aber permanent gefährdet.

Seit Mitte der neunziger Jahre ist den Verantwortlichen in Politik und Hochschulen klar, dass die vorhandene Größe des Wissenschaftssektors der Stadt aus eigener Kraft nicht zu finanzieren ist. Relativ gesehen hat der Wissenschaftssektor seitdem weit mehr Personal abgebaut als die Berliner Verwaltung. Forschung und Lehre können mittlerweile nur noch deshalb auf einem gehobenen Standard gehalten werden, weil immer mehr Aktivitäten durch die Einwerbung zusätzlicher Drittmittel finanziert werden, aus denen inzwischen ein Großteil der Forschungsmitarbeiter bezahlt wird.

Mit den sinkenden Budgetzuschüssen des Landes für seine Hochschulen erhielten diese im Gegenzug eine mittelfristige Planungssicherheit und einen Schutz vor der wahllosen Haushaltsbewirtschaftung durch das Land mit Hilfe mehrjährig laufender Hochschulverträge. Darin sichert das Land den Hochschulen bis 2009 einen – allerdings sinkenden – Haushaltszuschuss zu. Im Gegenzug verpflichtet sich die Hochschule zu vertraglich festgelegten Leistungen. Beide Seiten sind aber keine wirklich gleichberechtigten Verhandlungspartner, weil den Hochschulen die Macht fehlt, ein Vertragsangebot des Senats abzulehnen.

Neue Wege, neue Chancen für Berlin

Die Zeit für eine grundlegende Neuordnung des Wissenschaftsstandorts Berlin ist gekommen. Der Hochschulbereich in Berlin muss konsequent nach dem Subsidiaritätsprinzip umgestaltet werden. Auf der Bundesebene ist die Finanzierung der Grundlagenforschung zu regeln. Für den Hochschulbereich reicht es aus, eine „Klassifizierung“ der Einrichtungen vorzunehmen und Regeln für die Anerkennung von Studienleistungen aufzustellen.

Auf der Ebene der Länder, d.h. im Berliner Hochschulgesetz und in den Hochschulverträgen, müssen diese Regeln ausgefüllt werden und Allokationsmechanismen für den staatlichen Anteil der Finanzierung von Hochschulen existieren. Der eigentliche Gestaltungsspielraum muss auf die Ebene der Hochschulen oder Fakultäten als Anbieter der Studiengänge verlagert werden. Hier muss Wettbewerb zwischen den einzelnen Institutionen herrschen und zugleich Kooperation bei der Abstimmung gemeinsamer Aufgaben. Hierzu können sich die Hochschulen zu Verbänden zusammenschließen: Hochschulrektorenkonferenz, Akkreditierungsvereine, Arbeitgeberverband etc.

Wenn man dieses Prinzip streng durchhält, dann hat Berlin alle Chancen mit seinen Wissenschaftsinstitutionen als Standort in zehn Jahren in Europa eine absolut führende Rolle zu spielen und zu den großen Playern an der Ost- und Westküste der USA aufzuschließen.

Entstaatlichte Universitäten in der Bürgergesellschaft

Es gilt die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Universitäten Anreize für einen effizienten Ressourceneinsatz und zur Erbringung exzellenter Leistung haben. Zugleich müssen sie die Möglichkeit erhalten, zusätzliche finanzielle Mittel von Nachfragern ihres Angebots und Spendern einzuwerben. Jetzt ist der Zeitpunkt für die Schaffung eines solchen leistungsstarken, auf ordnungspolitischen Grundsätzen aufbauenden Hochschulsystems.

Letztlich wäre eine Entstaatlichung der Berliner Hochschulen das Signal für einen sehr viel heterogeneren Hochschulsektor in Deutschland – mit privaten und staatlichen Hochschulen, Forschungsuniversitäten der internationalen Spitzenklasse und Hochschulen mit einer praxisorientierten akademischen Ausbildung für den Arbeitsmarkt.

Finanzierung und Organisation der entstaatlichten Hochschulen

Die Finanzierung der Hochschulen soll zukünftig auf vier Säulen basieren. Zunächst bekommt eine Hochschule für ihre Leistungen in Forschung und Lehre über Hochschulverträge und Bildungsgutscheine einen jährlichen Zuschuss aus Landesmitteln. Darüber hinaus werben die Wissenschaftler Drittmittel von staatlichen Organisationen, Stiftungen und Unternehmen für einzelne Forschungsprojekte ein. Für die Lehre erhält die Hochschule von ihren Studierenden zusätzlich Studienentgelte, deren Höhe abhängig von der Wettbewerbssituation eines jeden Studienganges festgelegt wird und die über staatlich garantierte Bildungsdarlehen finanziert und einkommensabhängig zurückgezahlt werden können. Aus den Erträgen eines möglicherweise eingeworbenen Stiftungskapitals und weiteren Spenden können ebenfalls zusätzliche Aktivitäten in Forschung und Lehre finanziert werden. Insgesamt führen diese vier Säulen zu einer verbesserten finanziellen Ausstattung.

Die bislang staatlichen Immobilien der Hochschulen sollen in ihr Eigentum übergehen. Reichen die laufenden Mittel für Bau- oder Geräteinvestitionen nicht aus oder benötigen neue Wissenschaftsfelder eine Anschubinvestition, die aus dem jährlichen Haushalt nicht zu finanzieren ist, so kann das Vermögen der Hochschule beliehen werden, um die Investitionen dann vorzunehmen, wenn dies inhaltlich begründet und finanziell sinnvoll erscheint. Diese Eigenverantwortung führt dazu, dass die Hochschulen mit ihrem Vermögen sorgsam und mit kaufmännischer Vorsicht umgehen.

Damit haben die so entstaatlichten Hochschulen die Chance, dass zumindest Einige sich zu einer wirklichen internationalen Spitzenhochschule entwickeln: Denn dazu gehört eben auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung, die das Land Berlin in absehbarer Zukunft nicht alleine aufzubringen vermag. Es zeigt sich, dass jene Hochschulen, die international zu den Besten zählen, auch besser – aus privaten und staatlichen Töpfen – finanziert sind und sich zügig an den immer schneller werdenden Wandel in der Forschung anpassen.

Die Hochschulen haben die vollen Arbeitgebereigenschaften gegenüber allen ihren Mitarbeitern. Professoren werden demnach bei ihrer Berufung nicht notwendigerweise verbeamtet, sondern erhalten entweder zeitlich befristete oder unbefristet laufende privatwirtschaftliche Anstellungsverträge. Die Studierenden bewerben sich an einer Hochschule, und diese kann über die Zulassung selbst entscheiden. Allerdings hängt ihre staatliche Finanzierung von der Anzahl der Studierenden ab, sodass ein Anreiz besteht, mit attraktiven Studiengängen möglichst viele Studierende aufzunehmen. Insgesamt wird damit die Rolle der Studierenden als Mitglied der Hochschule gestärkt, indem sie echte Nachfragemacht erhalten.

Berlin braucht eine internationale Spitzenuniversität

Zumindest eine Universität in Berlin muss vom Ballast der Pensionslasten befreit und aus der staatlichen Trägerschaft in private Hände entlassen werden. Diese soll dann als Stiftungsuniversität geführt werden. Über einen langfristig laufenden Hochschulvertrag würden ihr weiterhin eine Grundfinanzierung für die Forschung und eine nachfrageabhängige Finanzierung der Lehre durch das Land garantiert werden. Hinzu käme das Recht, für die eigenen Leistungen Studienentgelte von den Studierenden erheben zu dürfen mit der Auflage, zu deren Finanzierung Eltern unabhängige Darlehen anbieten zu müssen.

Mit einer Universität in der Trägerschaft einer Stiftung privaten Rechts oder einer anderen gemeinnützigen, aber privatwirtschaftlichen Rechtsform wird die notwendige Flexibilität geschaffen, die eine Hochschule benötigt, um im internationalen Wettbewerb um Wissenschaftler und Studierende erfolgreich zu sein. Die Rechtsform gibt die Möglichkeit, sich vom Bundesangestelltentarifvertrag sowie dem öffentlichen Haushaltsrecht zu lösen und beschränkt die Einflussmöglichkeiten des Staates auf die Mitwirkung in den Stiftungsgremien und die Finanzierung über Outputkriterien. Zudem erleichtert ein solches Konstrukt, Mittel von Dritten als Stiftungskapital einzuwerben, aus dessen Ertrag zusätzliche Aktivitäten finanziert werden, die nicht durch staatliche Mittel zu finanzieren sind.

Eine herausragende, staatlich unabhängige Universität als Ort internationaler Spitzenforschung und Graduiertenausbildung könnte den Kern des Wissenschaftsstandortes darstellen. Sie hätte es einfacher, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Forschungsschwerpunkte, Graduiertenkollegs und neue Studiengänge könnten zügig eingerichtet und Ressourcen in diese Richtung gebündelt werden.

Verliert ein Wissenschaftsfeld an Interesse oder Bedeutung oder fehlt die Nachfrage nach einem Studiengang, werden die entsprechenden Ressourcen aber ebenso zügig auch in neue, effektivere Verwendungen umgeleitet. Stärker als heute würden die besten Köpfe aus aller Welt angezogen, um in unserer Stadt zu forschen und zu lehren. Der damit einher gehende Wissenstransfer, das kreative Klima und das Potenzial an gut ausgebildeten jungen Menschen werden Unternehmer anziehen, neue Geschäftsideen nicht nur in Berlin aufzugreifen, sondern sie auch hier umzusetzen. Unternehmen und bürgerschaftliches Engagement sind gefragt, um diese Vision zu realisieren: Spitzenleistungen bekommt man aber nicht ohne einen entsprechenden Input.

Eine Spitzenuniversität leistet universitäre Grundlagenforschung, deren Ergebnisse in der Regel nicht regional begrenzt sind, sondern die technologische und wissenschaftliche Leistungsfähigkeit in ganz Deutschland fördern. Eine international erstklassige Forschungsuniversität ist daher auch gesamtgesellschaftliche Aufgabe und verdient Unterstützung vom Bund. Um einen solchen Vorschlag aber bundespolitisch realistisch vorbringen zu können, muss die Berliner Politik erst ihre Hausaufgaben machen.

Bürgerschaftliches Engagement an Hochschulen

Insbesondere Universitäten gegenüber wird gerne das Vorurteil des Elfenbeinturms gepflegt, in dem sich die Wissenschaftler von der Außenwelt abkapseln und Erkenntnissen nachjagen, die keinerlei Relevanz für die reale Welt haben. Auch wenn dieses Vorurteil ganz überwiegend nicht der Wahrheit entspricht, müssen sich die Hochschulen zukünftig mehr gegenüber der Gesellschaft öffnen und ihre Leistungen nicht nur innerhalb der Scientific Community und gegenüber den Parlamenten dokumentieren, sondern auch den Bürger vom Nutzen der Wissenschaft überzeugen.

Eine Öffnung der Hochschulen bedeutet jedoch nicht, dass nun jeder zu einem Studium zugelassen werden muss, sondern dass die Wissenschaftler Bürgern und Unternehmen die Ergebnisse ihrer Forschung aktiv zugänglich machen müssen. Dies bedeutet ein stärkeres Engagement im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung, um ein lebenslanges Lernen erst möglich zu machen. Hierzu kann auch gehören, dass – ähnlich wie im 19. Jahrhundert – die Berliner Universität an Sonntagnachmittagen zu einem Treffpunkt der Bürgergesellschaft wird, an dem ausgewählte Wissenschaftler ihre Erkenntnisse populärwissenschaftlich aufgearbeitet vortragen. Wenn über solche und andere Aktionen den Berlinern der Wert ihrer Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen stärker deutlich wird, werden sie auch bereit sein, sich persönlich und finanziell stärker zu engagieren.

Umgekehrt heißt dies aber auch, dass den Bürgern ein Einfluss auf die Wissenschaftsinstitutionen ermöglicht werden muss, um Anregungen von außen für den Hochschulbetrieb aufzunehmen. Dies kann z.B. durch die Berufung von geeigneten Persönlichkeiten in die Aufsichtsorgane der Hochschulen und Fakultäten erfolgen, aber auch die Einbeziehung von Freundeskreisen und Fördervereinen bei der Überarbeitung von Curricula oder der Schaffung neuer Studiengänge. Eine ganz besondere Rolle hierbei sollten in Zukunft die Alumni spielen, deren beruflicher Werdegang ein Nachweis für die Qualität einzelner Studiengänge ist. Ihre Erfahrungen müssen viel mehr als bisher bei der Studienreform berücksichtigt werden, wie es umgekehrt selbstverständlich sein sollte, der eigenen Alma Mater zumindest einen Teil des persönlichen Erfolges intellektuell wie finanziell zurückzugeben.

Erste sehr positive Ansätze finden sich z.B. in Gestalt von Kuratorien neuer Art an einzelnen Berliner Hochschulen, in denen externe Persönlichkeiten Aufsichtsratsfunktionen wahrnehmen. Auch Initiativen wie „an morgen denken“ sind ein gutes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement zahlreicher Wirtschaftsvertreter, die sich mit hohem persönlichem Aufwand für den Wissenschaftsstandort Berlin einsetzen.

Die Wissenschaftslandschaft Berlin-Brandenburg

Für die Vision eines Wissenschaftsstandortes Berlin sind die dargestellten innerstädtischen Probleme von erheblicher Bedeutung. In die Konzeption eines Reformmodells für alle Berliner Hochschulen müssen jedoch auch verstärkt die Interdependenzen mit der Hochschullandschaft des Berliner Umlands einbezogen werden.

So bilden Brandenburger Hochschulen Berliner Studierende aus und umgekehrt. Vor allem die Universität Potsdam scheint für Berliner Jugendliche von steigendem Interesse zu sein. Darüber hinaus bietet die Bevölkerung Brandenburgs – und hier vor allem die über 900.000 Menschen, die im engen Verflechtungsraum Berlin-Brandenburg wohnen – ein Nachfragepotenzial für universitäre Angebote.

Neben der TU Cottbus und der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder sind es die geografisch näher an Berlin gelegenen Fachhochschulen Potsdam und Wildau und vor allem die Hochschule für Film- und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg, die von jungen Berlinern immer stärker nachgefragt werden. Letztlich finden vor allem auf wissenschaftlicher Ebene vielfältige Kooperationen, wie gemeinsame Konferenzen oder die gemeinschaftliche Bearbeitung größerer Projekte, statt. Gerade hier ist ein fruchtbarer Nährboden für weitere Synergien zu erkennen, weil die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes schon durch positive Netzwerkeffekte steigt.

Vor diesem Hintergrund muss ein Konzept für die Wissenschaftslandschaft Berlins zwangsläufig über die Grenzen der Stadt hinausschauen. Eine hochschulpolitisch getrennte Betrachtung von Berlin und Brandenburg macht aus wirtschafts- und wissenschaftspolitischer Sicht keinen Sinn. Zwar sollen die Hochschulen untereinander in Wettbewerb stehen, die Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Bundesland sollte dabei jedoch von untergeordneter Bedeutung sein. Nicht die Kostensenkungspotenziale, sondern insbesondere die Synergien, die sich aus der heterogenen Hochschullandschaft Berlins und seiner Umgebung ergeben, stellen einen erheblichen Standortvorteil dar. Um die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes zu erhöhen, sollte demnach vor allem das Bewusstsein für einen gemeinsamen Hochschulstandort Berlin-Brandenburg gestärkt werden.

Vordringlich ist es, – wo möglich – eine gemeinsame Struktur- und Bildungsplanung einzuführen und Synergien zu nutzen. So kann zum Beispiel die Lehrerbildung und die damit zusammenhängende Kapazitätsplanung gemeinsam vorgenommen werden. Diese Fragen sollten aber nicht auf ministerieller Ebene oder gar von den jeweiligen Wissenschaftsverwaltungen beantwortet werden. Die Kuratorien der einzelnen Hochschulen sollten hierzu ein gemeinsames Dach schaffen, welches die Entwicklung des gesamten Wissenschaftsstandortes fördert, ohne den Wettbewerb zwischen den einzelnen Institutionen zu behindern.