Sauber und sicher – Zeitenwende auch in der Energiepolitik

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat nicht nur unvorstellbares Leid in der Ukraine verursacht, sondern stellt auch die Energieversorgungssicherheit in Deutschland infrage. Zu lange und zu stark haben sich die deutsche Energiepolitik und Teile der Wirtschaft auf billiges Gas aus Russland verlassen. Den hohen Preis dafür zahlen vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher. Deswegen braucht es eine Zeitenwende auch in der deutschen Energiepolitik. Um die industrielle Basis in unserem Land und damit den Wohlstand in unserem Land aufrecht zu halten genauso wie das Klima auch für kommende Generationen zu schützen, können wir es uns nicht mehr leisten, auf sichere und klimaschonende Technologien zu verzichten.

Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen

Die wichtigste Antwort auf die energiepolitische Abhängigkeit von Russland muss ein entschlossener Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland und Europa sein. Vor allem Deutschland hat sich zu sehr auf die vermeintliche Brückentechnologie Gas verlassen und dabei den Ausbau erneuerbarer Energien vernachlässigt. Wir werden nicht weiter zulassen, dass Partikularinteressen den Ausbau erneuerbarer Energien und des Stromnetzes sowie ähnlich wichtiger Projekte verlangsamen. Wie im Koalitionsvertrag zwischen FDP, SPD und Grünen auf Bundesebene vereinbart, braucht es endlich einer engeren Verzahnung von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren, um Doppelprüfungen zu vermeiden. Beteiligungsverfahren müssen so weit wie möglich beschleunigt und entschlackt werden, sodass wir Bürgerbeteiligung gewährleisten, ohne den Bauprozess zu verlangsamen. Dabei darf es keine Tabus geben. Abstandsregeln sind zu reduzieren und Standorte nach ihrem Potential für die Stromgewinnung auszuwählen sowie Partnerschaften mit anderen Ländern zu forcieren, wenn dort bei entsprechender Netzanbindung Strom einfacher erzeugt werden kann. Auch in Berlin sind die Möglichkeiten für die Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen noch nicht ausgeschöpft. Die von den Freien Demokraten vorgeschlagene Aufstockung von Wohngebäuden innerhalb des S-Bahn-Rings kann genutzt werden, um im Zuge dieser Maßnahmen sowohl Photovoltaikanlagen als auch Windkraftanlagen in der Stadt zu installieren. Wir setzen hierbei auf wirtschaftliche Anreize statt Ausbaupflicht. Der Senat muss prüfen, wie eine marktgängige Förderung von mehr Photovoltaik und Windkraftanlagen auf Berlins Dächern kurzfristig und effizient ausgestaltet werden kann. Insbesondere den Wohnungsbaugenossenschaften wollen wir attraktive Finanzierungs- und Förderinstrumente zur Verfügung stellen.

Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängern

Bisher hat die deutsche Energiepolitik auf Gas als Brückentechnologie sowie vorübergehend auf Kohleverstromung gesetzt, um ausreichend Strom zu erzeugen und die mangelnde Grundlastfähigkeit erneuerbarer Energiequellen auszugleichen. Dabei haben sich die Bundesregierung und zahlreiche deutsche Unternehmen in einseitige Abhängigkeit von Russland begeben, die nun für einen Engpass in der Energieversorgung sorgt. Zur Sicherung unserer Energiesicherheit und zur Dämpfung des Preisanstiegs ist es notwendig, die heimischen Potenziale zur Erhöhung der Gasproduktion ebenso in den Blick nehmen wie Vorkehrungen zu treffen, dass im Winter aus einer Gas- nicht auch eine Stromkrise wird. Dafür müssen wir sicherstellen, dass die drei noch im Leistungsbetrieb befindlichen Kernkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 nicht zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden, sondern über den Jahreswechsel hinaus bis zu einer weiteren Laufzeit von fünf Jahren weiter betrieben werden können. Damit die Energieversorgung auch dann sichergestellt werden kann, wenn der Betrieb der drei produzierenden Kernkraftwerke im kommenden Winter an seine Grenzen stößt, muss die Bundesregierung umgehend veranlassen, dass weitere Brennelemente für die drei Kraftwerke bestellt werden.

Energiekooperation mit Ukraine vertiefen

Das Angebot der ukrainischen Regierung, Deutschland vermehrt mit Atomstrom zu versorgen begrüßen wir. Aufgrund der Zeitverschiebung zwischen der Ukraine und Deutschland bietet eine Vereinbarung über Lieferungen von Atomstrom aus der Ukraine sowie erneuerbaren Energien in Deutschland das Potential, die Energieversorgung in beiden Ländern zu verbessern. Denn ist der Stromverbrauch aufgrund der Uhrzeit in der Ukraine gering, ist er wegen der Zeitverschiebung zeitgleich in Deutschland hoch. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung bereits eine Vertiefung der Energiepartnerschaft mit der Ukraine vereinbart und sollte diese auch um die Zusammenarbeit bei der Gewinnung von Strom aus Kernkraft ergänzen. Es wäre fahrlässig, diese Energiepartnerschaft nicht explizit auch auf diesen Bereich auszuweiten.

Forschung an neuen Technologien fördern

Einer der großen Fehler in der deutschen Energiewende war, sich starr auf bestimmte Technologien festzulegen und andere auszuschließen. Technologieoffenheit und Investitionen in innovative Wege, um den Klimawandel zu bekämpfen, sind der vielversprechendste Weg, um diesen aufzuhalten. Technologieoffenheit bedeutet dabei immer auch, dass neue, bessere Lösungen ergebnisoffen betrachtet und unterstützt werden. Wir stehen daher uneingeschränkt zu dem im Bau befindlichen europäischen Versuchs-Kernfusionsreaktor ITER in Südfrankreich und der Anlage des Max-Planck-Instituts Wendelstein 7-X in Greifswald. Eine Intensivierung der Forschung ermöglicht es, bis Mitte des nächsten Jahrzehnts Fusionsreaktoren im Dauerbetrieb zu betreiben, wodurch Fusionsenergie einen maßgeblichen Teil zur sicheren und sauberen Grundlastversorgung auch in Deutschland beitragen kann. Sie würde sich dadurch, dass die Technologie ein Exportschlager wäre, auch wirtschaftlich bezahlt machen. Wir fordern deshalb eine Forschungsoffensive im Bereich der Kernenergie und wollen mehr Geld einsetzen, um Experimentieranlagen wie Wendelstein 7-X oder ITER zu fördern. Insbesondere die Kernfusion bietet dabei die Möglichkeit, Deutschland zum Vorreiter eines neuen Energiezeitalters zu machen.

Rahmenbedingungen für neue, moderne Kraftwerke schaffen

Um auch langfristig eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung sicherzustellen, sollte sich die deutsche Politik für die Nutzung innovativer Entwicklungen im Bereich der Kern- und Fusionsenergie öffnen. Als Freie Demokraten Berlin setzen wir uns für einen neuen Ansatz im Umgang mit der Nutzung der Kernenergie nach modernstem Stand der Technik ein. An den derzeitigen Kernkraft-Standorten sowie an solchen, bei denen ebenfalls die Akzeptanz der Bevölkerung vorhanden ist, soll mittelfristig die Möglichkeit geschaffen werden, neue Reaktoren der Generation IV zu errichten. Die Genehmigung für den Bau dieser Reaktoren muss an einen wettbewerblichen, sicheren und nachhaltigen Betrieb gekoppelt werden, sodass die neue Generation an Kernkraftwerken einen Beitrag zur Bewältigung der Atommüllproblematik leisten kann. An der Abkehr von fossilen Energieträgern führt im Zuge der Bekämpfung des Klimawandels kein Weg vorbei. Die Kernkraft kann und muss weltweit sogar einen Beitrag dazu leisten, dass diese Abkehr effizient und zügig gelingt. Anders ist die notwendige Reduzierung von CO₂-Emissionen einerseits, jedoch auch die weitere Versorgungssicherheit der Bevölkerung und des Wirtschaftsstandortes Bundesrepublik Deutschland zu vertretbaren Preisen mittelfristig nicht mehr zu gewährleisten.